14. Arbeit in Manebach (1732 - 1772)

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik

Johann Greiner, Anteilhaber der alten und Besitzer der neuen Hütte von 1714, kämpfte erbittert um sein Werk. Sein Betrieb hatte eine Jahreseinnahme von 8000 Talern erzielt. Die Dorfglashütte mit ihren vielen Teilhabern brachte nur 2000 Taler ein.
Da die Regierung kein Holz herausgeben wollte, schlug sie dem Greiner vor, die Produktion auf Steinkohlefeuerung umzustellen. Er bemühte sich nun, Kohle im Sperbersbach zu fördern. Diese enthielt viel Schiefer, brannte schlecht und war auch nur mit erheblichem Kostenaufwand zu gewinnen. Deshalb musste Johann Greiner seinen Versuch 1728 aufgeben.

Nun wurde zu dieser Zeit auch am Schneekopf und in Manebach Steinkohle gewonnen. Diese Tatsache benutzte der 1732 zur Regierung gekommene Herzog Friedrich III. zu dem Versuch, die Glasmeister zur Steinkohlebefeuerung zu zwingen. Es standen sich damals zwei ganz entgegengesetzte Interessen gegenüber. Der Herzog wollte Holz sparen. Er wusste, dass gute Steinkohle ein ausgezeichnetes Brennmaterial ist. Sicher wusste er auch, dass die hiesige Steinkohle nur geringe Qualität besitzt und nur unter günstigen Umständen und bedeutendem Aufwand zur Glasherstellung verwendet werden kann. Der Bezug guter Kohle aus dem Ausland, etwa aus England, wäre viel zu kostspielig geworden. Folglich sollten die Glasmeister unter allen Umständen mit dem hiesigen Rohstoff fertig werden.

Die Glasmeister hingegen hatten die Versuche des Johann Greiner miterlebt. Außerdem waren sie Neuerungen gegenüber äußerst zurückhaltend. Schließlich konnten sie auf die ihnen im Lehnvertrag schriftlich zugesicherten Holzzuteilungen pochen.
Trotzdem ließ der Herzog in Manebach einen Ofen für die Steinkohlefeuerung bauen und zwang die Gehlberger Glasmeister, 100 Taler hierfür beizusteuern. Er setzte einen Termin für ein Probeschmelzen fest und sperrte den Glasmeistern bis zu diesem Zeitpunkt jegliche Holzzuteilung.
1736 war der Manebacher Ofen betriebsbereit. Die Probe fand statt – und misslang! Das dürfte wohl zwei Ursachen gehabt haben. Einmal reichten die damaligen Erfahrungen bestimmt nicht aus, um einen Ofen zu bauen, der mit den relativ schlechten Kohlen die zur Glasbereitung erforderliche Hitze erzeugte. Zweitens dürften sich die Glasmeister auch keine sonderliche Mühe gegeben haben, weil sie nicht daran interessiert waren, die Brauchbarkeit der neuen Feuerungsart zu beweisen.
Das Experiment hatte die herzogliche Kammer etwa 1000 Taler gekostet. Die Leidtragenden waren die Glasbläser, denen der Herzog nunmehr trotz der bewiesenen Unmöglichkeit der Kohlefeuerung nur noch die Hälfte der im Lehnsvertrag zugesicherten Holzmenge abgab. Die Produktion musste also erheblich eingeschränkt werden. Die neue Hütte des Johann Greiner schleppte sich ja schon seit Jahren nur noch mühsam hin. Ab 1748 lag sie zuweilen jahrelang brach. 1786 wurde der Betrieb darin ganz eingestellt. Schließlich verfiel sie und musste 1792 abgerissen werden.
Johann Greiner erlebte ihr Ende nicht mehr. Er starb bereits am 27.4.1740. Die Tochter seines Sohnes Johann Michael, Charlotte Friederica, hatte 1758 den Pfarrer Wilhelm Gottfried Müller aus Ballstedt geheiratet, der von 1754 bis 1765 in Gehlberg amtierte. (Müller erscheint erst 1778 in den Kirchenbüchern zu Gossel als dortiger Pfarrer. Über seinen Verbleib zwischen 1765 und 1778 ist nichts bekannt.) Er starb 1793 in Gossel. Wir wissen nicht, wo sich seine Frau nach 1765 aufgehalten hat. Auf jeden Fall war sie die wohlhabendste Frau des Ortes, wie aus nachstehender Übersicht hervorgeht:

Besitzanteile der Gerechtigkeitshütte von 1644/45 um 1750
 
 Sommeranteile  Winteranteile
8 Teile Frau Pfr. Müller 1 Teil Joh. Karl Greiner 
4 Teile Joh. Nik. Orban, Sohn des Martin Orban  1 Teil Joh. Andreas Greiner, Sohn des Stephan Greiner
  1 Teil Joh. Nik. Hartwig 
  2 Teile Joh. Elias Hartwig 
  1 Teil Joh. Georg Schmidt 
  1 Teil David Gottlieb Heinz 
  1 Teil Valentin Wilhelm Heinz 
  1 Teil Michael Greiner
  1 Teil Christian Schmidt sen.
  1 Teil Gottfried Wiegand
  1 Teil Christian Schmidt
12 Teile 12 Teile
 
Außerdem:
Obere Hütte (1714 von Joh. Greiner gegründet; 1792 abgerissen)
Frau Pfarrer Müller (allein)
 
Durch die herzoglichen Maßnahmen hatten sich aber schon vor dem Ende der Greinerschen Hütte schlimme Folgen ergeben. So litt die im Lehnsvertrag von 1644 genehmigte Schneidemühle im Gräfenrodaer Grund so unter Holzmangel, dass sie etwa um 1750 abgerissen werden musste. Wie erwähnt, erhielt die Dorfhütte nach dem misslungenen Probeschmelzen nur noch die Hälfte der garantierten Holzzuteilung. Damit hätte man einen gedrosselten Betrieb aufrechterhalten können, wenn das Holz nicht gar zu weit weg von Gehlberg entfernt zugeteilt worden wäre.
So aber blieb den Glasmeistern 1748 nichts anderes übrig, als mit ihren Gehilfen alle notwendigen Geräte nach Manebach zu schaffen, statt des Steinkohleofens einen Ofen für Holzfeuerung zu bauen und dort zu produzieren. Hier war man zwar näher am zugeteilten Holz, hatte aber große Wege zu den in Gehlberg verbliebenen Familien zurückzulegen. Diese waren nötig, denn die Manebacher waren mit der Verlegung der Gehlberger Glasproduktion in ihren Ort gar nicht einverstanden und zeigten sich feindselig und wenig hilfsbereit.
Außer diesen Schwierigkeiten konnte mit dem wenigen Holz nicht viel erzeugt werden. Das war ein schwerer Schlag, lieferte die Gehlberger Hütte doch schon vor 1747 Glaswaren nach Braunschweig, Hannover, Bremen, Hamburg, Lübeck und Amsterdam! Aus den Warenverzeichnissen des Martin Orban wissen wir auch, was damals in Gehlberg hergestellt wurde: „Maß-, Wein- und Biergläser mit und ohne Henkel; gewöhnliche und geschliffene Weinkarawinen, Kugellaternen, Weingläser mit Goldrand, Potsdamer Facon, Limonadengläser, Schälchen in die Conditorei und für Gefrorenes, Compottschalen, Wandleuchter, Lampen, gegossene grüne Maßbouteillen, gläserne Säulen, Weinheber- und Uringläser.“
Aus einem Büchlein, welches der Pfarrer Hochgesang nach seinem mit vieler Mühe erkämpften Wegzug aus dem hungernden Walddorf Gehlberg nach dem wohlhabenderen Riechheim herausgab, können wir noch ergänzen: „Brenngläser, Schreibfedern (!), Carthesianische Männerchen (Taucher), Spritzen, Wasserhämmer, Prismen und Springerbsen (in Wasser abgeschreckte hohle Glastropfen, die wegen der inneren Spannung bei Berührung des spitzen Endes knallend zerspringen)“.
Man sieht, es gab auch damals schon Scherzartikel!

Orban war 1708 in Goldlauter geboren worden und heiratete 1732 die Tochter des Glasmeisters Joh. Georg Wilhelm Greiner, Eva Catharina, der zwei Hüttenanteile besaß. Da Orban für den Herzog lieferte und sehr begabt war, durfte er den Titel Hofglasschneider führen. Sein Haus stand in der Nähe der Straße zur Schmücke und musste zum Bau der Kirche (1749 - 1751) abgerissen werden. Von ihm stammen das Taufbecken, der Hostienbehälter und mindestens einer der Abendmahlskelche. Er lebte bis 1789.

Die Erwerbsminderung durch den gehemmten Hüttenbetrieb in Manebach führte zu großer Not in vielen Familien. Die meisten Einwohner lebten ja irgendwie „von der Hütte“, sei es als Holzfäller, Ochsentreiber bzw. Fuhrknechte für den Transport des Hüttenholzes und der Pottasche oder als sonstige Hilfskräfte.

Die im Lehnsbrief zugebilligten 40 Acker Land gaben in dem rauen Klima nur wenig Frucht. Außerdem waren sie durch die Erbteilung immer mehr zerstückelt worden und reichten auch für die inzwischen wesentlich angewachsene Einwohnerzahl längst nicht mehr aus. Sie waren ja auch nur zur Ergänzung der durch die Hütte erwerbbaren Lebensunterhaltung gedacht gewesen.
Regelrechte Bauern hat es in Gehlberg nie gegeben und konnte es bei den ungünstigen Bedingungen auch nicht geben. Nun ernährte die Hütte die Waldbewohner nicht mehr. Sie sahen sich deshalb gezwungen, den armseligen Ackerbau so intensiv wie möglich zu betreiben. Manche rodeten hier und da heimlich noch ein Stückchen Land hinzu.

Einigermaßen sichere Einnahmequelle waren die Kühe, die manche Einwohner besaßen. Aber auch sie waren nun häufig Ursache von Reibereien mit den Forstbediensteten. Die Gehlberger machten sich nämlich nicht viel daraus, wenn ihr Vieh sich das Futter dort suchte, wo es zu finden war und dabei zuweilen erheblichen Schaden in jungen Pflanzungen des Forstes anrichtete.

Unglücklicherweise ging die Nachfrage nach Glaswaren durch die Kriege in der Mitte des 18. Jahrhunderts wesentlich zurück. So wirkte sich u. a. der 1756 begonnene siebenjährige Krieg Friedrichs II. von Preußen in ganz Mitteleuropa hemmend auf die Wirtschaft aus. Zu allem Überfluss an Übeln wurde der Ort am 1. Juni 1759 auch noch durch einen Brand geschädigt. Aus nicht geklärten Gründen brach Feuer im Haus der Witwe Andreas Greiners aus. Feuerlöschteiche gab es noch nicht. Die im Dorf verstreuten Brunnen gaben nur wenig Wasser. Deshalb brannten trotz angestrengter Löschversuche der ganzen Bevölkerung vier Hauptwohnungen mit zwei angehängten Nebenwohnungen und zwei Scheunen mit den Stallungen ab. Außerdem wurde der Giebel des Bürgermeisterhauses stark beschädigt und die gesamten Glasvorräte der Betroffenen vernichtet. Die Geschädigten konnten die Mittel zum Wiederaufbau ihrer Heimstätten nicht aufbringen. Deshalb musste für sie eine Kollekte in den Städten Gotha, Waltershausen und Ohrdruf durchgeführt werden.

Die Schwierigkeiten, das tägliche Brot für die Ernährung der Familie zu beschaffen, wurden immer größer. Deshalb sahen sich manche Einwohner nach anderen Erwerbsquellen um. Geschickte Leute widmeten sich mehr und mehr der Glasveredlung, um lohnintensivere Waren verkaufen zu können. Hierher gehören die „Glasschneiderei“ (Glasschleiferei und Graviererei mit Hilfe rotierender Kupferscheiben) und die Glasmalerei.
Wer Zugvieh besaß, beteiligte sich an den Transporten auf der Straße zwischen Arnstadt und Suhl.
Arbeitslose Männer wurden „Zapfensteiger“. Sie erklommen die Bäume, um Samen für die Aufforstungsarbeiten zu pflücken – eine gefährliche Arbeit, bei der es nicht immer ohne folgenschwere Unfälle abging.
Arme Leute, Frauen und Kinder sammelten und bearbeiteten Feuerschwämme für die damaligen Feuerzeuge. Andere sammelten Wildfrüchte.

Eine Hoffnung brachte der etwa 1760 eingeführte Kartoffelanbau. Doch auch der nützte nichts, wenn das raue Klima die ohnehin kärglichen Ernten vernichtete. Die schlimmsten Missernten brachten die Jahre 1770 und 1772.

War bisher bei Sterbefällen durch Mangelkrankheiten die eigentliche Ursache, nämlich unzureichende und unzuträgliche Ernährung, nicht erkannt worden, so berichtet das Sterberegister 1772 von regelrecht verhungerten Kindern. Wehe dem Hause, in dem es außer den zum Leben notwendigen Dingen auch noch an Eintracht fehlte!

Am 23.7.1772 hatte die 34jährge Ehefrau Marie Dorothea des in Manebach arbeitenden Glasmachers Georg Adam Schmidt ihr am Abend des vorherigen Tages verhungertes Töchterchen (einunddreiviertel Jahr alt) eigenhändig begraben, weil sie kein Geld zu einer kirchlichen Bestattung besaß. Ihre Schwiegereltern, Wilhelm und Margarete Schmidt, verweigerten ihr nun in Abwesenheit ihres Mannes Unterkunft und Hilfe, so dass sie am 19.9. elend in einem Stalle zugrunde ging.

Waren die Männer bei der unzureichenden Ernährung der Arbeit in der Hütte körperlich kaum noch gewachsen, so verzehrte die Herbeischaffung des zu der Manebacher Hütte von Jahr zu Jahr immer ungünstiger liegenden Holzes ihre letzten Kräfte. Hinzu kam die Belastung durch die Trennung von der zu Hause in großer Not lebenden Familien. So mussten die Glasmeister den Schmelzbetrieb schließlich einstellen. Sie baten um Holzzuweisung in höheren Lagen, damit sie wieder in der heimischen Hütte arbeiten konnten.

1772 wurde die Manebacher Glashütte für 20 Gulden an den Zimmermann Heyn (Heym?) verkauft und die Produktion nach Gehlberg zurück verlegt.
In Manebach hatten die Glasmacher gemeinsam gearbeitet. Bei der Wiederaufnahme der Arbeit in der Heimat behielten sie diese Regelung bei und verzichteten auf die 1675 eingeführte Teilung in eine Sommer- und eine Winterhälfte.

Es gibt eine Theorie, welche die Entstehung des Namens „Achsenhag“ für den Wald am oberen Ortsausgang Gehlbergs in die Mitte des 18. Jahrhunderts verlegt. Weil damals die Glashütte wegen zu geringer Holzzuteilung jahrzehntelang nahezu still stand, half man sich über die Arbeitslosigkeit durch Vorspanndienste für die Handelswagen, die durch Gehlberg über die Schmücke südwärts fuhren. Als Vorspann verwendete man vornehmlich Ochsen, für die man ein Stück Wiese ostwärts des „Achsenhages“ durch einen Zaun (Hag) als Weide einhegte. Die Stelle ist auf den Ortsflurkarten des 19.Jahrhunderts als „Ochsenhag“ eingetragen. Der angrenzende Wald wird mit „Achsenhag“ bezeichnet. Trotz denkbaren Zusammenhangs beider Namen ist es möglich, dass der des Waldes älter ist.
Im Forstamt Schwarzwald existierte früher eine Karte, von der heute noch Fotokopien vorhanden sind. Da die bereits 1724 eingetragene Hütte des Nicol Heinz über der Sieglitz als „neue Glashütte“ eingetragen ist, kann man annehmen, dass die Forstkarte nicht in der Mitte, sondern zu Anfang des 18. Jahrhunderts gezeichnet wurde. Auf ihr ist aber schon der Name „Achsenhag“ zu lesen. Wenn er nicht nachträglich eingefügt wurde, worauf das Schriftbild nicht schließen lässt, ist er also schon früher entstanden und gebräuchlich gewesen.

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