4. Straßen

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik
 
Im Flachland gab es schon in grauer Vorzeit Ortschaften, weil die Menschen dort Landwirtschaft betreiben und sich ernähren konnten. Die Kammlagen des Thüringer Waldes hingegen wurden wesentlich später besiedelt. Das Gelände war unwegsam, der Boden schlecht, das Klima rau und für den Ackerbau nicht geeignet. Trotzdem war das Gebirge nie menschenleer, musste man es doch überqueren, um dringend benötigte Waren von Norden nach Süden und umgekehrt zu transportieren. So entwickelten sich im Laufe der Zeit sechs Wege zu Passstraßen, und zwar bei Oberellen, Nesselberg, Oberhof, Allzunah, Neustadt und Spechtsbrunn. Jede Passstraße wurde durch kleinere „Beistraßen“ ergänzt.

Für Gehlberg sind zwei Beistraßen der „Frankenstraße“ wichtig. Diese führte, aus Norddeutschland kommend, über Erfurt nach Arnstadt, dann über die Reinsberge hinweg, zwischen Roda und Ilmenau durch die Pfaffenhohle zum Hangeberg. Von dort fiel sie wieder ab, ließ Manebach rechts liegen, bog am Hermannstein nach Süden ab und strebte zwischen Gabelbach und der Hirtenwiese in Richtung Allzunah. Auf dem Gebirgskamm gabelte sie sich. Ein Ast führte nach Schleusingen–Hildburghausen-Würzburg, der andere nach Coburg-Nürnberg. In unserem Gebiet wurde diese wichtige Straße gesichert durch die Kevernburg bei Arnstadt, die Reinsburg bei Plaue, die Burg Ilmenau sowie dazugehörige Warttürme, z. B. auf dem Hermannstein.

Im dreizehnten Jahrhundert hatten sich die Burgen zu Raubnestern umgewandelt. Rudolf von Habsburg ließ deshalb u. a. die Reinsburg und die Ilmenauer Burg zerstören. Im 14. Jahrhundert entstand die Ehrenburg in Plaue und eine Wasserburg der Kevernburger in Ilmenau. Der Verlauf der Frankenstraße änderte sich dadurch. Sie berührte nun die Orte Plaue und Ilmenau direkt. Ihr zweiter Name „Frauenstraße“ geht sicherlich auf das kleine „Kloster zu den Frauen auf dem Wald“ zurück, einem Prämonstratenser Nonnenkloster, welches nach einer Urkunde des Grafen Poppo XIII. von Henneberg aus dem Jahre 1218 als Filiale des Veßraer Klosters gegründet wurde. Es ist spurlos verschwunden. Geblieben ist die daraus hervorgegangene Siedlung, der heutige Ort „Frauenwald“.

Eine Beistraße des beschriebenen großen Handelsweges führte über Elgersburg und die Hohe Warte durch den Mönchswald zur Schmücke. Der Verlauf dieser „platea publica“ (öffentliche Straße) deckt sich annähernd mit dem der späteren „Salzmannstraße“. Gesichert wurde sie durch die Elgersburg, höchstwahrscheinlich ein Geleitshaus auf der Hohen Warte und kleinere hölzerne Befestigungen.

Burgen an den alten Handelsstraßen der "platea publica" über den Rennsteig


009 Kevernburg
Kevernburg bei Arnstadt; nach 1661 abgerissen
Abb. 009 
010 Ehrenburg
Ehrenburg in Plaue; vermutlich 1332 bis 1342 als Ersatz f. d. Reinsburg gebaut
Abb. 010
011 Liebenstein
Burg Liebenstein; 1868 z. T. abgerissen
Abb. 011

Die andere Beistraße kam von Geschwenda her über den „Steinigen Hügel“ und den „Geelbergk“ zur Schmücke. Zu ihrer Sicherung ist wahrscheinlich die Burg angelegt worden, deren Ruinen heute den Namen „Raubschloss“ tragen. Spuren deuten darauf hin, dass sowohl der „Finsterberg“, als auch die „Seifertsburg“ (ein früher mit „Seyfahrtsburg“, „Seyfriedsburg“ oder „Siegfriedsburg“ bezeichneter Berg) hölzerne Befestigungen getragen haben, die der Straßensicherung dienten.

Die "alte Burg" an der Beistraße von Dörrberg über den Gehlberg zur Schmücke


012 Raubschloss
Vermutlich 1289/90 durch kaiserliche und Erfurter Truppenzerstört; auf Betreiben und unter Leitung des Forstmeisters Brückner 1906 - 1912 ausgegraben
Abb. 012

013 Raubschloss GewlbeAbb. 013

015 Raubschloss GrabungenAbb. 015 

014 Raubschloss StufenAbb. 014 


Beide Beistraßen vereinigten sich auf der Schmücke. Dort dürfen wir schon lange vor den erst im 16. Jahrhundert erwähnten „Schneehäusern“ einfache Gebäude annehmen, die den Fuhrleuten und Geleitmännern Schutz vor der Witterung boten. Hinter der Schmücke führten die vereinigten Beistraßen weiter über Goldlauter in Richtung Suhl.    
Alle diese Straßen benutzten in den höheren Lagen nicht die Täler und Einschnitte der Bäche, sondern klommen über Hänge und Berge. Das war notwendig, weil selbst kleine Rinnsale in diesem sich völlig selbst überlassenen Naturgebiet alljährlich zur Schneeschmelze zu reißenden Fluten wurden. Sie schleppten Strauchwerk, Geröll, sogar entwurzelte Bäume mit fort und stauten diese Dinge in Biegungen und Engstellen an. So wurden die Täler an manchen Stellen völlig verbaut. Es gab Hochwässer, ständige Schlamm- und Sumpfstellen, kurz: Täler waren für Fuhrwerksverkehr nicht zu brauchen.

Das Ausweichen auf die Höhen mit ihren Unebenheiten und vielgestaltigen Oberflächen war natürlich mühsam und erforderte an zahlreichen Stellen fremde Hilfe und Vorspann. So wird z. B. der „obere Hof“ (Oberhof) schon 1267 in einer Urkunde erwähnt, nach welcher der Graf Heinrich von Orlamünde dem Kreuzkloster zu Gotha erlaubt, dort oben Güter zu erwerben. Geleittafeln aus dem Jahre 1505 geben uns Aufschluss, welche Waren damals über den Wald gebracht wurden: Salz, Kastanien, Kupfer, Eisen, Blei, Wein, Waid, Wolle, Korn, Holz, Schindeln, verschiedene Arten Fisch, Nüsse, Spezereien und Hausgerät.

Geleit war nicht nur wegen der in manchen geschichtlichen Epochen häufig vorkommenden Räubereien nötig. Auch in friedlichen Zeiten war es nicht ungefährlich, sich auf holprigen Wegen allein über den Wald zu bewegen, in dem es zahlreiche Bären und Wölfe gab. Oft musste man auch zur Axt greifen, um die Straße von umgestürzten Bäumen frei zu machen. 
 
Bei den Talfahrten benutzten die Fuhrleute eigenartige Bremsen. Sie hieben am Wege stehende kleinere Bäume ab, befestigten sie hinten an den Wagen und ließen sie am Boden nachschleifen. Am Ende der Gefällestrecke wurden diese primitiven „Bremsen“ einfach fortgeworfen. Eine solche Stelle ist der „Schleppreiserplatz“ unterhalb des Sachsensteins an der „platea publica“. 
 
Während des Dreißigjährigen Krieges ging der Güterverkehr auf den Straßen stark zurück und erlosch auf manchen Wegen ganz. Die Waldbewohner versuchten, das Vordringen plündernder Heerhaufen dadurch zu verhindern, dass sie die Straßen durch gefällte Bäume streckenweise verbauten und an geeigneten Stellen Gruben oder Gräben aushoben. Solche Maßnahmen konnten die Truppen jedoch auf Dauer nicht aufhalten. Sie bewirkten vielmehr, dass sich die Trosse stauten, für längere Zeit in den Ortschaften niederließen und schrecklich darinnen hausten. Nicht selten zogen sie erst weiter, wenn es nichts mehr zum Stehlen, Essen und Zerstören gab. Zurück blieben geschundene Menschen ohne Lebensmittelvorräte, obdachlos oder in schwer beschädigten Häusern. 
 
Wie schadlos sich die Soldateska auf Kosten der Bewohner hielt, geht aus einer Schilderung hervor, wonach im Dezember 1642 zwei Obristen der französischen Armee in Georgenthal zu Mittag 1 Mandel Eier, 1 zehnpfündigen Schinken, einen Kalbs- und einen Lammbraten verzehrten. Zusammen mit ihren Begleitsoldaten tranken sie dazu 10 Kannen Bier. 
 
Es ist verständlich, dass sich das Land nur sehr langsam von den Kriegseinwirkungen erholte. Der Verkehr lag noch Jahrzehnte danieder. Schließlich erwachte jedoch das Wirtschaftsleben wieder auf dem Walde, besaß er doch drei Dinge, die ihn für die Menschen anziehend machten:
Bodenschätze, Wasser mit großem Gefälle und – Holz!
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