[Anhang 12] Sagen des Schneekopfgebietes

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik 
Nördlich vom Schneekopf führt eine sehr steile Mulde, „Hölle“ genannt, über den „Venetianerbrunnen“ hinunter in den „Schneetiegel“. Es ist der Ursprung der „Wilden Gera“ – oder, besser gesagt: eines Quellbaches, dem dieses Flüsschen seinen Namen verdankt. Der „Langerbach“, in den das Gewässer aus dem Schneetiegel seitwärts einmündet, ist nämlich länger und auch wasserreicher als dieses. Trotzdem heißt der Bach im Gräfenrodaer Grund unterhalb des genannten Zusammenflusses nicht mehr „Langerbach“, sondern „Wilde Gera“.
Der Venetianerbrunnen ist Gegenstand einiger wenig bekannter Sagen, die von italienischen Glasmachern oder Edelsteinsuchern handeln.
Die Hölle wird in ihrem oberen Teil zu beiden Seiten durch mächtige Steinblöcke begrenzt. Nördlich von ihr erhebt sich ein großer Felsen, der „Höllkopf“.
Ostwärts des Schneekopfgipfels, etwas abseits des Weges, steht der „Jägerstein“. Die eingemeißelte Inschrift lautet:
„Anno 1690, d. 16. Sept.: Herr Johann Valentin Grahner F:S:F zu Gräfenroda durch seinen Vetter F.F. als Schwester Sohn Johann Caspar Greiner unversehens allhier erschossen worden. X X X“
(F:S:F = Fürstl. Sächs. Förster)

098 Jgerstein 1
Abb. 098 
Anno
1690 d. 16.
Sept:
Herr Johann
Valentin Grahner
F:S:F zu Gräfen-
roda durch sei-
nen Vetter : F.
 

099 Jgerstein 2
Abb. 099
F. als
Schwester
Sohn Johann
Caspar Greiner
unversehens all
hier erschoßen
worden
XXX
 
Die Beifügung „unversehens“ besagt, dass der Hergang des Unfalls damals nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden konnte und gab die Veranlassung zu verschiedenen Deutungsversuchen, die sich in Form von Sagen bis heute erhalten haben. Die wichtigsten Versionen seien anschließend aufgeführt:
Die Sage vom Jägerstein
„Caspar Greiner war Jägerbusche bei seinem Oheim, dem Förster Grahner in Gräfenroda und als der beste Schütze auf dem Thüringer Walde bekannt und beliebt. Greiners Kugel verfehlte niemals ihr Ziel. Er stieg deshalb bei den Oberen des Forstamtes immer höher in Achtung. Darüber entbrannte in des Försters Brust heimlicher Neid, dessen Flamme täglich zunahm, so dass ihm der Gedanke, seinen Neffen um den schönen Schützenruhm zu bringen, Tag und Nacht keine Ruhe ließ. Da er aber selbst kein Mittel dazu ausfindig machen konnte, so kam er auf gar böse Dinge und entdeckte sich einem in gar üblen Rufe stehenden alten Weibe, das jenseits des Gebirges in einem Waldort wohnte.
Einige Zeit nachher ging der Jägerbursche frohen Mutes auf den Anstand an die Kuppe des Schneekopfes. In der Abenddämmerung hört er ein Tier durch den Wald kommen, gleich darauf sieht er einen so herrlichen Vierundzwanzigender stolz vorbeischreiten, wie ihm noch kein Hirsch vorgekommen. Mit unsäglicher Freude legt der Bursche an, schießt, und der Hirsch – springt unverletzt von dannen! Der Jäger ist zu Tode erschrocken. Er will es nicht glauben, sucht nach Schweiß: vergebens! Der Hirsch war nicht getroffen. In höchstem Unmut kehrt der Bursche in der Nacht in das Forsthaus nach Gräfenroda heim und ist am anderen Morgen trübsinnig und schweigsam. Seine Galle aber wird erregt durch die Spöttereien seines Ohms, dass er ohne Beute heimgekehrt sei und gewiss den unvergleichlich schönen Hirsch verfehlt habe, von dem ihm gestern die Köhler vom Schneekopf erzählt hätten.
Der Bursche schleicht sich bald verdrießlich fort und geht gegen Abend wieder auf den Anstand am Schneekopf. Er hat seine Büchse mit äußerster Vorsicht geladen, alles ist im besten Stande. Der Hirsch kommt wieder. Greiner schießt und fehlt abermals. Jetzt bemächtigt sich Verzweiflung seiner. Rast- und trostlos irrt er am anderen Morgen noch im Walde umher. Er getraut sich gar nicht nach Hause, um den höhnischen Blicken seines Ohms nicht zu begegnen. In diesem Zustande trifft ihn ein alter Glasmeister der nahen Glashütte Gehlberg, der ihn kennt und den sein betrübtes Aussehen dauert. Auf wiederholtes Bitten des Glasmeisters erzählt der Jägerbursche sein Unglück. ‚Das geht nicht mit rechten Dingen zu!’, erklärt hierauf der Alte. ‚Hier ist ein Zauber im Spiel! Schweige du gegen jedermann und komm auf die Glashütte, wenn der Mond voll wird! In der Mitternacht wollen wir eine gläserne Kugel machen, und ich will den Segen darüber sprechen. Der zerstört jeden Zauber! Der Jägerbursche befolgte des Alten Rat. Die gläserne Kugel wurde mit den nötigen Formeln angefertigt und in die Büchse geladen.
Am folgenden Abend geht Greiner auf den Anstand. Der Hirsch lässt nicht lange auf sich warten. Gleichsam höhnend schreitet er vorbei. Der Jägerbursche legt an, nimmt das Tier fest auf das Korn; der Schuss kracht: der Hirsch stürzt. Jubelnd eilt der Bursche hinzu, um ihm den Genickfang zu geben, und findet zu seinem Entsetzen seinen sterbenden Ohm im Blute liegen.“
Es ist häufig behauptet worden, dass die vorstehende Form der Sage von Karl Maria von Weber in seinem „Freischütz“ mitverarbeitet wurde. Trotz gewisser Ähnlichkeiten ist dies aber nicht sehr wahrscheinlich, da Webers das Libretto einer Novelle aus dem Gespensterbuch von August Apel und Friedrich Laun entnahm. Hingegen kann man annehmen, dass die Sage im Laufe der Zeit verändert bzw. ausgeschmückt worden ist. Auf diese Möglichkeit deutet die Erwähnung der „übel beleumdeten alten Frau von jenseits des Gebirges“ hin. Es dürfte sich hierbei um die von Bodo Kühn in seinem Buche „Arkanum“ erwähnte „Vettel“ handeln. Diese Frau hat aber später gelebt, als die Sage und auch Kühns Buch erscheinen lassen. Es handelt sich offensichtlich um Beiwerk aus der Zeit der Romantik.
Von den weiteren Versionen der Sage seien hier nur zwei gekürzt wiedergegeben:
„Seit längerer Zeit wurde am Schneekopf ein weißer Hirsch beobachtet. Selbst die besten Schützen der Gegend hatten häufig umsonst auf ihn geschossen: Er war unverwundbar!
Der ehrgeizige Jägerbursche Kaspar Greiner wollte ihn dennoch zur Strecke bringen und ließ sich deshalb während einer Vollmondnacht in der Gehlberger Glashütte Freikugeln gießen. Er lud eine davon in seine Büchse und erwartete damit am Schneekopf den Hirsch. Als dieser erschien, schoss Greiner. Der Hirsch brach zusammen.
Erfreut sprang der Jäger hinzu, um dem Tier den Fang zu geben. Da sah er zu seinem Schrecken statt des Hirsches seinen eigenen Onkel sterbend im Blute liegen.“
Diese Form der Sage rückt vom Tatbestand des wirklichen Geschehens noch weiter fort, als die erste. Sie führt ein Fabelwesen, den „weißen Hirsch“, in die Geschichte ein. Dafür verzichtet sie völlig auf Zusammenhänge, die sich aus dem verwandtschaftlichen Verhältnis und der gleichen beruflichen Tätigkeit der beiden Personen des Geschehens anbieten.
Die folgende Form der Sage verrät Einflüsse der Aufklärung und versucht, das Geschehen nüchtern zu erklären:
„Der ‚weiße Hirsch’
Der Jägerbursche Caspar Greiner war als guter Schütze bekannt und sehr stolz darauf. Als nun Leute von einem unverwundbaren weißen Hirsch in der Umgebung des Schneekopfes erzählten, schwor er, das Tier zu erlegen. Sein Onkel Valentin, Forstknecht in Gräfenroda, der den Jungen gerne hänselte, beschloss, dem stolzen Schützen einen Schabernack zu spielen. Als er erfuhr, dass Caspar zum Schneekopf ging, um den weißen Hirsch zu erlegen, eilte er ebenfalls nach dort. Caspar sah den Hirsch und schoss mit einer gläsernen Kugel danach, die er sich in der Gehlberger Glashütte hatte anfertigen lassen. Als das Tier zusammenbrach und er erfreut hinzueilte, fand er seinen Onkel, der sich in ein weißes Tuch gehüllt hatte, sterbend vor.“
Dieser Deutungsversuch ist unlogisch. Grahner war ein erfahrener Forstmann, der sich bestimmt nicht in der Verkleidung eines Hirsches vor die Büchse seines Neffen gewagt hätte, den er doch als ausgezeichneten Schützen kannte.
Dese Erkenntnis führt dann auch zu einer weiteren Version, in der sowohl auf den weißen Hirsch als auch auf die verwandtschaftlichen Beziehungen verzichtet wird. Sie stellt die ganze Sache als tragische Folge eines dummen Spaßes einiger Treiber dar, die nach reichlichem Branntweingenuss auf den Gedanken kamen, einen Mann in ein Hirschfell einzunähen und den Jägern entgegenzutreiben. Einer der Jäger ließ sich täuschen und musste mit Schrecken feststellen, dass er keinen Hirsch, sondern seinen eigenen Onkel erschossen hatte.
Ursprung all dieser Sagen ist eine Eintragung im Gräfenrodaer Kirchenbuch, wonach Grahner von seinem Neffen erschossen wurde, „weil der einen Hirsch zu sehen glaubte“. Auf dem Gedenkstein steht jedoch nichts von einem Hirsch. Akten über die Untersuchung des Falles haben sich bis jetzt nicht gefunden. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass der in allen Sagen vorkommende Hirsch entweder eine reine Erfindung darstellt, die von allen Erzählern ungeprüft übernommen wurde, oder auf fehlerhafte Berichterstattung über den Vorfall zurückzuführen ist.
Bei näherer Betrachtung der damaligen Verhältnisse schälen sich zwei Möglichkeiten heraus:
1. Mord
2. Verwechslung mit einem Bären
Bekanntlich war Ursula Holland, die Frau eines der beiden Gehlberger Hüttengründer1689 kinderlos gestorben. Ihre 12 Hüttenanteile fielen an die Erben ihres Bruders Sebastian Grahner. Sowohl Caspar Greiner als auch Valentin Grahner gehörten zu diesen Erben. Nach dem Unglück am Schneekopf gab es tatsächlich einen Erbschaftsstreit um ein Hüttenanteil für das hinterlassene minderjährige Kind des Valentin Grahner. Wenn nun Greiner seinen Onkel erschossen haben sollte, um in den Besitz weiterer Hüttenanteile zu gelangen, so wäre ein Prozess unvermeidlich gewesen. Die Möglichkeit eines Mordes ist aber damals gar nicht in Betracht gezogen worden. Grahner hatte ja ein Kind, welches nach seinem Tode erben würde. Außerdem gab es eine recht natürliche Erklärung für den Unfall: Verwechslung mit einem Bären.
In einem Schreiben bezüglich des Hüttenanteils für Grahners Kind heißt es, dass Grahner auf der Jagd erschossen worden sei, weil der unglückliche Schütze annahm, „dass es ein Bär sei“.
In der Tat gab es damals in unseren Wäldern noch vereinzelt solche Tiere. Für leidenschaftliche Jäger war es ein ganz besonderer Reiz, solch selten gewordene Beute zu machen. Wenn also Greiner der Meinung war, einen Bären vor sich zu haben, dann ist es erklärlich, dass er – vom Jagdfieber gepackt – voreilig schoss. Es ist sogar anzunehmen, dass er schon abdrückte, als der vermeintliche Bär noch teilweise vom Gebüsch verdeckt war, weil bei einem getriebenen Bären der Schütze auf seine eigene Sicherheit achten muss, wenn das Tier schon in seiner Nähe ist. Zur Erhärtung dieser Behauptung sei ein Unfall beschrieben, der sich drei Jahre später, am 1.8.1693, bei Dörrberg ereignet hat.
Der älteste Sohn Nicol des Köhlers Valentin Völlner ging gegen Abend nach der Arbeit vom Meiler fort, um eine andere Kohlstätte abzusehen. Dort standen viele Himbeeren. Der Junge bückte sich, zupfte Beeren ab und verzehrte sie.
Förster Gundermann aus Dörrberg kam zufällig in der Nähe vorüber. Er sah, dass sich im Beerengestrüpp etwas Dunkles regte, hielt das für einen Bären und schoss – dem bedauernswerten Nicol Völlner mitten durch den Kopf!
Man sieht also, dass sich auch hier ein sehr erfahrener Forstmann irrte. Die Vermutung, einen Bären vor sich zu haben, erklärte sich auch aus der Tatsache, dass Förster Hans Balthasar Harras am 14.8.1671 auf dem Walzberg, also ganz in der Nähe, einen Bären erlegt hatte. Die Voreiligkeit sowohl Greiners als auch Gundermanns ist verständlich, denn beide wussten, dass der Förster Großgebauer 1626 bei Stutzhaus durch einen Bären in höchste Lebensgefahr geraten war.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Eintragung im Gräfenrodaer Kirchenbuch höchstwahrscheinlich auf einem Irrtum oder einem Übermittlungsfehler beruht. Die Verwechslung mit einem Bären ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Stoff für gruselige Sagen lieferten auch die Moore des Schneekopfgebietes: die „Teufelskreise“, die „Schwarze Pfütze“ und das Hochmoor auf dem Beerberg.
Die Sage vom Reiter am Teufelskreis
„Eines Abends befand sich ein armer Bergmann auf dem Heimwege von der Grube am Schneekopf. Da begegnete ihm ein Reiter mit blutrotem Mantel. Er fragte den Hauer, ob er ihm den Weg nach der Teufelspfütze zeigen könnte. In der Hoffnung auf einen Lohn sagte der arme Mann zu. An der Teufelspfütze stieg der stattliche Reiter ab, breitete seinen Mantel auf dem Boden aus und sagte: ‚Warte, bis ich wieder komme! Färbt sich das Wasser blutrot, dann komme ich nicht zurück. Du kannst dann Mantel und Pferd zum Lohn behalten!’ Zum Entsetzen des Bergmannes trat der Fremde an die Teufelspfütze und versank darin. Der Mond leuchtete gespenstig über der grausigen Szene. Das Wasser färbte sich aber nicht, sondern fing nach einer Weile an, sich zu bewegen: der unheimliche Fremde kam wieder zum Vorschein. Er hing seinen Mantel wieder um, ließ sich auf die Straße führen und sagte zu seinem Wegeführer: ‚Stecke dir das Laub dort von den Büschen in deinen Esskorb!’ Darauf war der Rote plötzlich verschwunden. Schnell raffte sich der schlotternde Bergmann etwas Laub in den Korb und rannte, immer noch voller Angst, davon. Als er sich weit genug entfernt glaubte, schüttete er das Laub schnell aus und ging mit klopfendem Herzen nach Hause. Am anderen Morgen fand er in seinem Korbe einige Goldstücke zwischen den Weidenruten eingeklemmt, wo an dem gespenstischen Abend noch einige Blätter hängengeblieben waren. Deshalb suchte er auf dem Wege zur Arbeit nach den fort geschütteten Blättern, fand sie aber nicht wieder.“
Eine andere Sage berichtet vom Teufelskreis und der Zeit, in welcher die Schmücke noch ein Fohlenstall war.
„Ein reicher Mann hatte ein kostbares Pferd für den Sommer dem Hirten des Fohlenstalles zur Weide anvertraut. Eines Tages war das Tier jedoch verschwunden, ohne dass der Hirtenjunge sagen konnte, wo es hingekommen war. Wütend suchte nun der Besitzer die ganze Umgebung ab und fluchte schließlich vor sich hin: ‚Das muss der Teufel geholt haben!’
Er gab jedoch die Suche so schnell nicht auf und gelangte schließlich an ein Moorloch auf dem Teufelskreis, von dem es hieß, dass jeder Gegenstand erst wieder in Arnstadt zum Vorschein käme, der dort hinein falle. Ausgerechnet in diesem Moorloche aber war sein teures Pferd schon bis zum Schwanze versunken! Er konnte das Tier unmöglich wieder raus ziehen. Da er sehr geizig war, wollte er retten, was zu retten war und schnitt dem Pferd schnell den Schwanz ab, um die Haare vielleicht noch an einen Förster zur Herstellung von Wildschlingel verkaufen zu können. Fluchend ging er zum Fohlenstall zurück. Wie staunte er aber, als dort sein Pferd stand! Nur der schöne Schwanz fehlte. Den hatte er selbst in der Hand.“
Früher war im Volke der Glaube lebendig, dass die Teufelskreise gewissermaßen hochgelegener Endpunkt verschiedenartiger unterirdischer Räume und Wege seien. Der Gespenster- und Geisterglaube war weit verbreitet, auch ließen sich die armen Waldbewohner gern von geheimnisvollen Schätzen berichten, die unter der Erde auf ihren glücklichen Entdecker warteten. Auch als der Aberglaube zurückging, blieben die Erzählungen von unterirdischen Gängen noch lange Zeit dankbarer Unterhaltungsstoff. So nahm man noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts an, der „Spring“ im Ortseingang von Plaue (ein Felsen, dem ein Bach entspringt) sei unterirdisch mit dem weit entfernten Teufelskreis verbunden.
Die alten Auffassungen über unterirdische Gänge und Hohlräume führten in neuerer Zeit zu scherzhaften Erzählungen. So berichteten Gehlberger Einwohner ihren Kurgästen häufig, dass „erst kürzlich wieder“ ein Mann im Teufelskreis versunken und bei Arnstadt wieder zum Vorschein gekommen sei. Zufällig anwesende andere Einheimische verbürgen sich stets bereitwillig für die Richtigkeit solcher Behauptungen.
Eine Venetianersage
In einem Tale unterhalb des Mordflecks stand einst eine Schneidemühle. Darin kehrte oft ein Fremdling ein. Er war ein Welscher, der am Schneekopf nach Steinen suchte. Eines Tages verabschiedete er sich von den Müllersleuten und sagte, er käme nicht mehr wieder, sondern kehre in seine Heimat zurück. Auch hinterließ er ihnen seine Adresse und forderte sie auf, sich nur an ihn zu wenden, falls sie einmal in Not kämen. Er sei ihnen für ihre freundliche Aufnahme zu Dank verpflichtet. Nach vielen Jahren war schließlich der alte Müller gestorben und sein Sohn wollte gerade heiraten, da brannte die Mühle ab. Der junge Müller war über Nacht bettelarm geworden und wusste nicht ein noch aus. Da besann er sich des seltsamen Gastes aus seiner Kindheit. Er hatte zwar dessen Namen vergessen, machte sich aber trotzdem in seiner Not auf den langen Weg nach Venedig. Viele Monate dauerte seine Wanderschaft. Nun irrte er in der großen fremden Stadt umher, fragte und suchte. Als er schon ganz verzweifelt war, führte ihn ein Mann auf seine wiederum vorgebrachten Fragen zu einem prächtigen Hause, in dem ein uralter Mann wohnte. Der hilfsbereite Fremde flüsterte dem Greis einige Worte in italienischer Sprache zu. Da sprang der Alte plötzlich freudig auf und schüttelte dem Müllerssohn die Hände. Es war der Venetianer, der durch seine im Thüringer Wald gesammelten Steine reich geworden war. Er behielt den jungen deutschen noch mehrere Wochen in seinem Hause, bewirtete ihn köstlich und entließ ihn reich beschenkt wieder in seine Heimat.
So konnte der junge Mann die Mühle wieder aufbauen und sein Mädchen heiraten. Noch als alter Mann erzählte er seinen Kindern und Enkeln gern von dem alten Venetianer und seinen Herrlichkeiten. 
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