Autor: Reinhard Schmidt (2024)
1. Der Männergesangsverein
Gehlbergs erster Chor, der „Männergesangsverein“, wurde 1896 vom Mühlenwirt (Wirt der „Gehlberger Mühle“), Ernst Möller, gegründet und geleitet. Es verstand sich von selbst, dass sein Gasthaus im Geratal auch das Vereinslokal wurde.
1868 war Ernst Möller als Lehrer nach Gehlberg gekommen. Möller war recht geschäftstüchtig. Er heiratete in die hiesige Familie Heinz ein und kam hierdurch zu Besitz. Jahrelang war er Bürgermeister. 1883 trat er als Lehrer und 1888 als Bürgermeister zurück, übernahm die 1801 wiedererbaute Mühle im Grund, die inzwischen zum Gasthaus geworden war. Eine andere Mühle im Schlagtal, die ihm durch seine (erste) Frau zugefallen war, verkaufte er sehr vorteilhaft an die Eisenbahn, die sie abreißen musste, um Platz für die Trasse zu bekommen. Ernst Möller starb 1925. Das Lokal kam zunächst an seine Erben, wurde aber 1931 an die Familie Becker verkauft.
1897 kam der aus Wernshausen stammende Richard Müllich als Lehrer nach Gehlberg. Er war ein ausgezeichneter Klavier- und Orgelspieler und trat 1904 die Nachfolge Möllers als Leiter des Männerchores an. Fortan war das Gasthaus „Herzog Alfred“ (Hauptstraße 17) Vereinslokal. 1912 trat nur für kurze Zeit Fritz Kühn an Müllichs Chorleiterstelle. 1937 ging Müllich zurück nach Wernshausen.
Abb. 090 Ständchen des Gesangsvereins für seinen langjährigen Leiter Müllich (rechts ohne Hut) zu seiner Silberhochzeit am 29.11.1925. |
Ab 1937 wurde Hellmut Heinz, den Schott Jena nach Gehlberg geschickt und als technischen Leiter der Schillingshütte eingesetzt hatte, neuer Chorleiter.
Nach dem 2. Weltkrieg ruhte zunächst jedes Vereinsleben. Der Männergesangsverein konstituierte sich am 21.10.1948 neu und firmierte zunächst unter dem Namen „Werkchor Franz Schilling Gehlberg“.
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Der Name des Chores änderte sich in den Folgejahren immer mit dem seines Trägerbetriebes (Werkchor Franz Schilling Gehlberg -> Werkchor Glaswerk Schott & Genossen, Gehlberg -> Werkchor Jenaer Glaswerk, Gehlberg).
Mit dieser Bemerkung wurde der Historie etwas vorgegriffen.
Und auch der Chorleiter wechselte, da Hellmut Heinz in den 1950er-Jahren nach Mainz gegangen war.
Neuer Chorleiter über viele Jahrzehnte hinweg wurde der aus Gehlberg stammende Gerhard Kühn. Darüber hinaus spielte dieser bei den „Heimatfreunden“, einer Instrumentalgruppe, mit. Im wöchentlichen Wechsel mit dem Blasorchester wurden Kulturveranstaltungen für die FDGB-Urlauber gestaltet.
Abb. 1958-022 |
Abb. 1970-006 Der Gehlberger Gesangsverein zum Sängerfest in Schleusingerneundorf mit seinem Chorleiter Gerhard Kühn im Jahr 1970 |
Abb. 1965-017 Die Mitglieder des Gesangsvereins und deren Ehepartner treffen sich Mitte der 1960er-Jahre vor „Kühns Gaststätte“ zu einem gemeinsamen Ausflug |
Als Gerhard Kühn 1984 aus gesundheitlichen Gründen seine Ämter niederlegen musste, sprach man die neu nach Gehlberg gekommene Lehrerin Christina Ziegenhardt diesbezüglich an. Diese beherrschte das Klavierspielen und hatte aufgrund dieser Fertigkeit an der Grundschule Musik zu unterrichten. Damit sie auch der Aufgabe einer Chorleiterin gewachsen war, absolvierte sie aus eigenem Antrieb von 1984 - 1986 in Eisenach eine entsprechende Ausbildung und schloss diese mit Auszeichnung ab.
Auch unter Frau Ziegenhardts Leitung gab es die 14-tägigen Liederabende – oft in Zusammenarbeit mit den „Heimatfreunden“ – in den FDGB-Heimen „Daheim“, „Frieden“ oder im Kurpark. Ein herausragender Auftritt dürfte der anlässlich „100 Jahre Brandleitetunnel“ gewesen sein.
Abb. 1984-006 100 Jahre Brandleitetunnel; Empfang des Jubiläumszuges im Bahnhof Gehlberg durch den Gesangsverein unter Leitung von Christina Ziegenhardt am 08.09.1984 |
Abb. 1986-014 Auftritt des Chors 1986 im Kurpark |
Abb. 1987-004 Einstufung am 14.06.1987 in Schleusingen |
1988 verstarb Klaus Reichenbächer, der Sänger der „Heimatfreunde“ und auch im Werkchor gewesen war. Mangels Nachwuchs starben dem Chor ganze Stimmlagen (z.B. 2. Tenor) aus. Es stellte sich die Frage, ob man einen gemischten Chor bilden oder aber den Chor auflösen sollte. Man entschloss sich 1988 für die Auflösung.
2. Der Gesangsverein „Germania“
In der Zeit vor dem 1. Weltkrieg mussten sich die Reservisten der Armee alljährlich in „Burg“ (Elgersburg) zur Kontrolle einfinden. Dabei wurde die patriotische Gesinnung etwas aufpoliert. Bei dem zunehmenden Einfluss sozialdemokratischen Gedankengutes erschien das der Militärbehörde dringend notwendig. Da die Reservisten auf dem Wege nach „Burg“ tüchtig Soldatenlieder sangen, beschlossen sie 1910, einen Gesangverein „Germania“ zu gründen. Erster Chorleiter war der „Hüttenmöller“ (Hermann Möller, 1877 – 1936). Dessen Nachfolger war Alfred Sichert, ebenfalls leitender Angestellter bei Gundelach. Vereinslokal war das Hotel „Daheim“ (Ritterstraße 16).
Angesichts seiner national-patriotischen Ausrichtung überlebte der Gesangsverein „Germania“ das Kriegsende nicht.
Abb. 1928-013 Der Gesangsverein "GERMANIA" auf Besuch in der Wienervorstadt (=Wien) im Jahr 1928. |
Abb. 1921-002 Der Glas des Vereinsmitgliedes Alfred Bergmann. |
3. Der „Arbeitergesangsverein“
So gering die Neigung der Gehlberger zum Beitritt in politische Parteien war, so stark scheint ihr Bedürfnis gewesen zu sein, Vereinen beizutreten, in denen sich Angehörige gleicher Bevölkerungsgruppen zusammenfanden. So führte die gespannte politische Situation jener Tage zur Gründung eines dritten Gesangsvereins. Neben dem Männergesangsverein von 1896 und der politisch rechts stehenden „Germania“ von 1910 entstand 1920 ein Arbeitergesangverein, anfänglich als Männer- später als gemischter Chor. Da unter seinen hiesigen Mitgliedern kein geeigneter Dirigent zu finden war, übernahm der Lehrer Förster aus Elgersburg die Leitung. Verlässliche Aussagen über die Dauer des Bestehens dieses Gesangsvereins waren nicht zu recherchieren. Es ist aber anzunehmen, dass er das Jahr 1933 nicht überlebt hatte.
Zeitzeugenaussagen: Rolf Butzer; Ute Neumann (geb. Reichenbächer); Christina Ziegenhardt