Autor: Reinhard Schmidt (2024)
Neben verschiedenen Gesangsvereinen (nach 1945 nur noch einen) gab es in Gehlberg auch Instrumentalmusikvereine. Und damit sind nicht Hausmusiker gemeint, wie sie im Beitrag „Kapitel 32“ erwähnt werden.
Es gab in Gehlberg ausgesprochen musikalische Familien. Beispielhaft seien die der Greiner oder Kühn genannt. Diese – und auch andere musikalisch veranlagte Gehlberger - waren in verschiedenen Musikvereinen gleichzeitig präsent.
Größter und am längsten existierender Instrumentalmusikverein war das Blasorchester. Leider gibt es keinerlei Dokumente, welche Rückschlüsse auf dessen Gründung erlauben. Obwohl sich Gehlberg nie mit solchen Hochburgen der Blasmusik, wie Gräfenroda, Liebenstein und Gossel messen konnte, gab es bis in die 1970er-Jahre eine sehr aktive Blaskapelle, welche ihre beste Zeit unter der Leitung von Heinz Lapp in den 1960er-Jahren hatte. Zu DDR-Zeiten war in der Urlaubersaison jeden Sonntag Konzert im Kurpark.
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Vereinslokal war Jahrzehnte die Gaststätte von Leopold Kühn (Hauptstraße19), der selbst lange die große Trommel geschlagen hatte. Angeblich soll sich in diesem Vereinslokal eine Vitrine mit der Vereinsfahne befunden haben.
In den 1950er- und 1960er-Jahren war der Umzug am 1. Mai mit dem Blasorchester an der Spitze völlig normal. Auch die Ständchen der Kirmesgesellschaft wurden in dieser Zeit vom Blasorchester begleitet.
![]() Kirmesständchen im Mühlweg Erkannt wurden (v.l.n.r.): Harald Eckardt, Gerhardt Kühn, Heinz Lapp, Edmund Lapp (genannte "Munder" oder "Notenwart"), Emil Machalett, Peter Wagner, Erwin Greiner ("Erst mein` Erwin"), unbekannt, Bernd Röseler (Die Personen wurden 2021 von Peter Wagner identifiziert.) |
Das Musikstück, welches jeder Gehlberger mitsummen konnte, war die „41 aus dem blauen Buch“, der „Bavaria-Marsch“ von Johann Brussig.
![]() Abb. 2024-0061) Hier die DEMO-Version von Musica Piccola: ![]() |
Ein ganz besonderes Ereignis war es, wenn die Blasmusik zum Heiligabend „Oh, du Fröhliche“ spielte. Da traten alle Anwohner trotz Kälte vor die Haustür oder öffneten die Fenster und lauschten ergriffen. Das Blasorchester nahm auch an regionalen Kulturveranstaltungen teil. Eines davon war in den 1960er-Jahren in Jena und endete traurig: Auf der Rückfahrt mit dem Bus verstarb Hugo Gier.
Wie über die Gründung, gibt es auch über die Auflösung der Blaskapelle keine genaue Angabe. Diese starb Ende der 60er- , Anfang der 1970er-Jahre aus, weil sich – abgesehen von z.B. Erhard Schmidt, Hans-Eberhardt Kemter, Hans Lehrke, Manfred Roßmann und Jürgen Fischer kein Nachwuchs fand. ⇒ (EA1945-002)
Wie bereits erwähnt, waren einige der Musiker nicht nur im Blasorchester aktiv, sondern machten auch Folklore- oder Tanzmusik. Damit konnte man sich sein Einkommen zu DDR-Zeiten aufbessern. Ende der 1940er-, Anfang der 50er-Jahre fanden sich mehr oder minder sporadisch lose Musikgruppierung zusammen (Paul und Werner Greiner, Gerhard Kühn, Kurt Schleicher). Diese machten Stimmungs- und Tanzmusik, ohne sich um „AWA“ (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte) etc. zu scheren.
![]() v.l.n.r.: Kurt Schleicher, Paul Greiner, Gerhard Kühn, Werner Greiner |
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1959 bildete sich die Instrumentalgruppe „Heimatfreunde“. Der Name lässt das musikalische Repertoire erahnen. Zur Besetzung gehörten im Laufe der Geschichte Klaus Reichenbächer (Gesang und Moderation), Erwin Amberg, Franz Köllmer (beide Zither bzw. Mandoline), Paul Greiner (Schlagzeug), Werner Greiner (Akkordeon/Gitarre), Gerhard Kühn (Kontrabass), Joachim Eichhorn (Gitarre), Kurt Schleicher (Gitarre), Albert Kühn (Klavier), Hans Zimmermann (Gitarre).
![]() stehend v.l.n.r.: Werner Greiner, Hans Zimmermann, Gerhard Kühn; sitzend: Franz Köllmer, Klaus Reichenbächer, Erwin Amberg |
Eine etwas flottere Musikrichtung bediente der Kapelle „Trix“. Deren Gründungszeit lag Anfang der 1960er-Jahre. Zur Besetzung gehörten – zu unterschiedlichen Zeiten - Dieter Licht (Trompete), die Zwillinge Wolfgang und Sigmund Straube (Saxophon/Akkordeon) Willy Nemitz (Schlagzeug), Hans Eberhard Kemter (Saxophon/Klavier), Joachim Eichhorn (Gitarre), Manfred Roßmann (Schlagzeug).
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Der aus Gehlberg stammende Martin Greiner (Spitzname „Pudding“), dessen Vater Erwin im Blasorchester spielte, beschritt einen anderen Weg. Er ging 4 Jahre zur NVA (Nationale Volksarmee) nach Wolgast, war dort Mitglied des Musikcorps und kam 1960 als ausgebildeter Berufsmusiker (Saxophon, Klarinette) zurück. Anfangs war Martin Greiner für die Kurverwaltung Oberhof tätig (spielte in diesem Rahmen mit aus Plaue und Crawinkel stammenden Musikerkollegen auch in Gehlberg). Ab 1971 spielte er in der Tanzkapelle des Schmiedefelder Kulturhauses. 1986 pausierte er 3 Jahre als Musiker und arbeitete in Gehlberg im Jenaer Glaswerk. Danach musizierte er bis 1996 für die Reha-Klinik in Bad Kösen. 2016 verstarb Martin Greiner.
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1973 gründete Hartmut Greiner, der bis dahin während seiner Studienzeit bei „Index“ aus Dresden gespielt hatte, zusammen mit Hans Eberhard Kemter, Manfred Roßmann (beide Gehlberg) und Günter Hedwig (Martinroda) die Band „GT73“ (Gehlberger Tanzkapelle 1973).
Abb. 1977-002 |
Sie bespielten neben Gehlberg auch andere Ortschaften. Stand eine Kirmes an, „borgte“ man sich Blasmusiker für die Ständchen aus.
1978 waren noch die Gehlberger Hans Eberhard Kemter (links) und Hartmut Greiner (rechts) dabei.
Der Wirkungskreis wurde größer. Man trat zunehmend regional auf. Da musste ein zugkräftiger Name her. Das „GT“ war nun nicht mehr „Gehlberger Tanzkapelle“, sondern „Golden Team“. Dagegen hatten aber wachsame staatliche Stellen etwas. Und so blieb es bei „GT73“.
Zum 10-jährigen Jubiläum von GT73 im Jahr 1983 war aus Gehlberg nur noch Hartmut Greiner Bandmitglied. Die Band trat nunmehr auch überregional auf.
So sie sich nicht schon vorher aus Alters- oder sonstigen Gründen aufgelöst hatten, verloren die Gehlberger Musikvereine/Kapellen mit dem Ende des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) ihre wichtigste Existenzgrundlage. Einziger jetzt (2024) noch aktiver aus Gehlberg stammender Musiker ist Hartmut Greiner. Da er aber schon seit 1980 in Geschwenda lebt, gehört ab dieser Zeit „GT73“ nicht mehr zu den Gehlberger Musikkapellen.
Es war somit nur folgerichtig, dass sich „GT73“ nach der Wende – diesmal ohne Beanstandung staatlicherseits – in „Golden Team“ umbenannte. Nach der Auflösung von „GT73“ im Jahr 2001 spielte Hartmut Greiner in verschiedenen Thüringer Bands und ist seit 2019 bis heute (2024) Gitarrist bei der Band „Luckytones".
![]() Luckytones 2020 (Hartmut Greiner links) |
Zeitzeugen: Dieter Licht, Hans Eberhard Kemter, Carsten, Peter und Lothar Greiner, Hartmut Greiner, Manfred Roßmann; Fritz Wirsing
1) www.musica-piccola.de