Autor: Reinhard Schmidt (2021)
Der Anhang 11 des ersten Teils der Chronik endete mit: „… Nach dem Kriege zerstörten die Amerikaner nicht nur die militärischen Anlagen und Baracken, sondern auch das Turmwärtergebäude. Lediglich der Turm blieb erhalten. Er hatte aber schwer gelitten, weil man die metallbeschlagene Bedachung, die allabendlich und bei schlechtem Wetter geschlossen werden musste, jahrelang offen gelassen hatte. Besonders die schwere Treppe aus Eichenholz war im oberen Teil stark verrottet. Wie überall im Lande gab es also nach dem 2. Weltkrieg auch auf dem Schneekopf nur Ruinen. …“
Darüber, wann und wie die Trümmer der Wehrmachtsanlagen entfernt wurden, ist nichts bekannt.
Erst 5 Jahre nach Kriegsende (1950) wurde auf dem Schneekopf anstelle des gesprengten Gebäudes von den Gehlberger Bürgern ein Holzhaus im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerkes“ errichtet. Das sogenannte „NAW“ war eine Aktion, in welcher die Bürger aufgerufen wurden, „freiwillig“ und ohne Entlohnung gemeinsam nach Feierabend oder am Wochenende Arbeiten für gemeinnützige Zwecke, sogenannte „Aufbaustunden“ zu verrichten. Das o. g. Gebäude hieß „Gehlberger Hütte“ und diente als Raststätte für die in zunehmendem Maße zum Schneekopf wandernder Touristen und als Starterhäuschen für die alpinen Skiwettkämpfe auf der Abfahrtsstrecke hinab in den Schneetiegel.
Zur Gehlberger Hütte hat Wolfgang Scheidt folgende Informationen:
 Abb. 1951-012 |
„Die Hütte (geschätzte Größe: 80 bis 90m2) bestand neben einem Windfang aus 4 Räumen (2 Gasträume, Küche und Lagerraum). Es gab keinen Wasseranschluss. Trinkwasser musste von der Schmücke geholt werden; im Winter wurde vor Ort Schnee geschmolzen.
Die Toilette war eine zweitürige Bretterhütte am Rande des damals niedrigen Waldes (etwa dort wo jetzt der Telekomturm steht). Bei Schneeverwehungen war diese schlecht nutzbar.
Wirt war Ernst Machalett (besser bekannt als „Schneiders Ernst“).
1954 erfolgte der Bau einer Wasserleitung aus dem Schmücker Graben. Für 60 Mark konnten 10 Meter Graben ausgeschachtet werden.
1957 erfolgte ein Erweiterungsbau der Hütte (etwa auf die doppelte Größe). Da der Bau vor dem nahenden Winter nicht mehr mit Brettern verkleidet werden konnte, wurde an einen Sonntagvormittag durch viele Helfer eine Verkleidung mit Fichtenreisig angebracht.
Auch der Bau einer Toilette war vorgesehen. 1958 wurde jedoch das Schneekopfgebiet für den Besucherverkehr gesperrt und die Hütte 1960 abgerissen.“
Abb. 1957-003
Vorne die 1950 gebaute Hütte, dahinter der 1957 begonnene Anbau.
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 Abb. 1957-004
Der Anbau (im Bild rechts) mit seinem Witterungsschutz aus Reisig.
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1951 erhielt der von 1852 stammende Aussichtsturm die zwingend erforderliche Generalreparatur. Er wurde komplett neu verputzt. Die verrottete Eichenholztreppe wurde durch eine Stahl-Wendeltreppe ersetzt – der Turm war wieder begehbar. 1)
 Abb. 1952-006
ca. 1952
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1957 wurde auf dem Schneekopfgipfel mit dem Bau eines zweiten Turms (8x8x22 Meter) begonnen. Dieser 1958 fertiggestellte Turm war eingezäunt und wurde von Polizei bewacht. Über ihn sollen wichtige Richtfunkstrecken der SED und der „Sicherheitsorgane“ der DDR gelaufen sein. 1)
Der Ausflugsbetrieb zum Schneekopf – und damit auch die Bewirtschaftung der Gehlberger Hütte – kam zum Erliegen.
Am 01.03.1960 wird der Schneekopf zum militärischen Sperrgebiet. Die Torgauer Brigade der Sowjetstreitkräfte betrieb dort einen wichtigen Horchposten gegenüber der NATO. 2)
Anfangs waren dort auf Lkws installierte Radarantennen ohne jeglichen Witterungsschutz stationiert. Die Bergkuppe wurde eingezäunt. In einem Radius von etlichen 100 Metern standen rings um den Gipfel Schilder, welche das militärische Sperrgebiet markierten und dessen Betreten untersagten. Damit waren der Schneekopf und seine Hänge für Wanderer oder Skisportler unerreichbar geworden.
Für die Soldaten waren Barackenunterkünfte errichtet worden.
Die Offiziere und deren Familien wohnten zunächst in Meiningen. Der Versuch, für diese eine Unterkunft in Gehlberg zu schaffen (siehe 1963), scheiterte. Ab 1978 wohnten sie in Ohrdruf. 2)
Am 18.08.1970 wurde der 1852 erbaute und 1951 instandgesetzte Schneekopfturm gesprengt. Damit wurde Platz für umfangreiche Baumaßnahmen der Sowjetarmee auf dem Schneekopf geschaffen. Es entstanden zwei große Radome, in welchen die mobilen Radaranlagen witterungsgeschützt untergebracht wurden. Die Barackenunterkünfte etc. wurden teilweise durch feste Bauten ersetzt. Diese Baumaßnahmen zogen sich über eine längere Zeit dahin, in der Militär-Lkws der Sowjetarmee Zementladungen vom Bahnhof Gehlberg zum Schneekopf brachten. Dabei fiel es nicht auf, wenn die ein oder andere Ladung ihr eigentliches Ziel nicht erreichte. Mit ein paar Flaschen Schnaps konnte mancher Gehlberger Hausbesitzer seinen akuten Baustoffmangel beheben.
 Abb. 1986-002 |
Abb. 1986-003 |
Außer den Lastwagen, die z. B. zum Kohleholen zwischen dem Bahnhof und dem Schneekopf pendelten, oder auch mal einen Offizier zum Einkauf in den Ort fuhren, gab es kaum Kontakt zwischen der sowjetischen Schneekopfbesatzung und den Gehlbergern. Und so blieb das 30 Jahre lang.
Die politischen Veränderungen 1989/90 hatten zunächst nur bescheidene Auswirkung hinsichtlich der Nutzung des Schneekopfs. Er blieb unverändert militärisches Sperrgebiet. Allerdings reduzierte sich dieses auf die Umzäunung des Bergplateaus.
1990 wurde der Richtfunkturm von der Telekom übernommen. 1)
Er dient immer noch als Knotenpunkt für Richtfunkverbindungen – vor allem für den Mobilfunk. Als Alternative zu Glasfaserkabeln verbindet er aktuell mehrere Mobilfunkmasten der Telekom und Telefonica mit Daten. Außerdem betreiben Behörden mehrere Antennen am Turm. 5)
Am 26. Juli 1990 gründete sich der Schneekopfverein Gehlberg e.V. und begann mit der Vorbereitung des Jägerstein-Festes. Der Jägerstein stand ursprünglich östlich der Bergkuppe. Mit der Einrichtung des Sperrgebietes 1960 war er für die Gehlberger nicht mehr erreichbar. Deshalb versetzte man ihn in Richtung Rennsteig neben die Oberhofer Chaussee, etwa dorthin, wo heute die Zufahrt zum Schneekopf mündet.
Am 16. September 1990, also auf den Tag genau 300 Jahre nach dem „sagenhaften“ Jagdunfall, fand das erste Jägerstein-Fest des Schneekopfvereins statt. 1)
Dieses wiederholte man seit dem jährlich Mitte September.
1993 sanierte und modernisierte die Telekom ihren Turm umfassend. Nach außen sichtbar wurde dies durch den ringförmigen Antennenträger. 1)
Die letzten russischen Soldaten, die am 14. Juni 1994 Thüringen verlassen haben, waren die 50 Soldaten vom Schneekopf. Bereits am 15.02.1994 war die Liegenschaft auf dem Berg an die deutschen Behörden übergeben worden.

Abb. 1994-007 Foto vom 15.02.1995
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Abb. 1994-008 Foto vom 15.02.1994 Volksfeststimmung: Einwohner der Umliegenden Dörfer pilgern zum Schneekopf, ...
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 Abb. 1994-009 Foto vom 15.02.1994 ... um die Hinterlassenschaft der Sowjetarmee zu besichtigen. |
Am 04.08.1995 waren die Amateurfunker von der Wetterstation an der Schmücke zum Schneekopfturm umgezogen. Fortan sendeten sie unter dem Rufzeichen „DB0THA“. (mehr unter www.schneekopfrelais.de) 3)
Ab 04.10.1995 begann man mit dem Abriss der Radome sowie den meisten militärisch genutzten Gebäuden. 2)
Der Abriss der militärischen Anlagen einschließlich der Beseitigung der russischen Altlasten dauerte bis 1996. Die Renaturierung des Gipfelplateaus endete 1997. 4)
Gemeinsam mit der „Thüringer Allgemeine“ wurde seit 1999 alljährlich ein „Gipfeltreffen“ auf dem Schneekopf durchgeführt.
 Abb. 2006-001
Am 22.07.2006 mit dem Motorsegler über dem Schneekopf.
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Die Gemeinde Gehlberg hatte einen Bebauungsplan für den Schneekopf erstellt, der 2003 genehmigt wurde. Im September 2007 war Baubeginn sowohl für den Aussichtsturm als auch für die „Neue Gehlberger Hütte“. 4)
 Abb. 2007-002
Am 15.06.2007 erfolgte die Grundsteinlegung für den neuen Aussichtsturm.
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 Abb. 2007-003 Oktober 2007 |
Abb. 2007-001
Der Turm beginnt zu wachsen.
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Abb. 2008-003 April 2008
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 Abb. 2008-001
Am 22.06.2008 wurde der neue Aussichtsturm offiziell eingeweiht.
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Am 22.06.2008 war die feierliche offizielle Einweihung des Schneekopfturms. Für den Publikumsverkehr wurde er zum 10. Gipfeltreffen am 06.07.2008 freigegeben.
Die ersten Turmwärter des neuen Aussichtsturmes waren Bodo Henke und Manfred Kühn.
Abb. 2008-005
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Im Jahr darauf, am 29. November 2009 (1. Advent), wurde die „Neue Gehlberger Hütte“ eröffnet. 4)
 Abb. 2016-002
„Neue Gehlberger Hütte“ am Fuße der beiden Türme (Foto von 2016)
Wirtsleute sind Katrin und Thomas Schmidt aus Gehlberg.
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2012 gab Manfred Kühn seine Tätigkeit als Turmwärter aus gesundheitlichen Gründen auf. An seine Stelle trat ab 01.05.2012 Wolfgang Schramm.
 Abb. 2012-002
Manfred Kühn, der 2012 in den Ruhestand ging
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Abb. 2012-004
Wolfgang Schramm, der an die Stelle von Manfred Kühn trat
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 Abb. 2012-001
Bodo Henke (links) war seit 2008 Turmwärter. Er und Wolfgang Schramm haben die „Schneekopf-Prinzessin“ von 2012 in ihre Mitte genommen.
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Der neue Schneekopfturm war dem alten nachempfunden: Achteckiger Grundriss und ausladende Turmkrone. Allerdings war letztere bei neuen Turm nur ein Umlauf für die Fensterputzer und zu Wartungszwecken. Die Besucher durften diesen Umlauf nicht betreten, sondern mussten in der geschlossenen Glaskanzel bleiben. Das hatte nach einigen Betriebsjahren fatale Folgen: Schimmelbildung angesichts hoher Raumfeuchtigkeit und ungenügender Belüftung. Deshalb wurde 2015 eine Sanierung durch Einbau einer Klimaanlage erforderlich.

Abb. 2016-003_1
 Abb. 2016-003_2 Diese Ansichtskarte gab es nur auf dem Schneekopf - dem höchsten Postamt Thüringens. Vorliegendes Exemplar wurde zum Gipfeltreffen am 02.07.2016 abgestempelt.
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2018 wurden die Turmwärterstellen aus Kostengründen gestrichen. Ein Drehkreuz, welches bereits zur Turmeröffnung da war, sich aber nicht bewährt hatte, wurde wieder ertüchtigt. Die Personaleinsparung hatte zur Folge, dass nun die Nebeneinnahmen durch Souvenirverkauf wegfielen, der Turm extra zu reinigen und täglich auf- bzw. abzuschließen war. Die schlimmste Folge war die jetzt sprichwörtliche Unpersönlichkeit.
Abb. 2012-003
Die beiden letzten Turmwärter: Wolfgang Schramm und Bodo Henke
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Liste der Turmwärter von 1852 – 2018:
1. |
Karl Machalett |
ca. 1852 - 1875 |
2. |
Vollrath |
bis 1936 |
3. |
Paul Teichmüller |
1937 - 1939 |
4. |
Ernst Machalett (Schneiders Ernst) |
1950 -1958 |
5. |
Manfred Kühn |
2008 - 2012 |
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Bodo Henke |
2008 - 2018 |
6. |
Wolfgang Schramm |
2012 - 2018 |
Anlässlich des 20. Gipfeltreffens am 27.06.2018 wurde durch die Firma Baumann ein Gipfelkreuz errichtet.
Abb. 2018-001 |
1) Fleischhauer, Rolf. Köllmer, Günther. (1995). Festschrift zum 350-jährigen Bestehens Gehlbergs. (einmalige Auflage). Hrsg.: Gemeindeverwaltung Gehlberg
5) Albers, Benedikt. 2021, 13. Juli). Pressestelle der Telekom. E-Mail-Auskunft an den Autor