1958 Das Gehlberger Wappen (Ergänzung 1958-001)

Autor: Reinhard Schmidt (2022) 
Wer im Internet nach dem Wappen des Ortes Gehlberg sucht, dem wird dieses angeboten:

1992 001 Wappen Gehlberg
Abb. 1992-001 
 
Auf Wikipedia erfährt man, dass dieses seit dem 14. Mai 1992 das offizielle Wappen der Gemeinde ist und durch den Heraldiker Frank Diemar gestaltet wurde.1) Ältere Gehlberger werden einwenden, dass es schon vor 1992 ein Wappen gab und sich auf die Andenken oder Fotoalben des Drogisten Kurt Scheidt berufen. Nachfolgend ist diese "Foto-Album-Variante " zu sehen:


2022 001 Wappen alt


Abb. 2022-001 

Was hat es nun mit dem Gehlberger Wappen auf sich?
Der Gehlberger Kunstmaler Ludwig Treß hatte ein Wappen ersonnen. Wann das war, ist nicht belegt. Er bot es der Gemeinde Gehlberg zum Kauf an. Diese lehnte ab.2)

 

1958 007 Gehlberg Wappen TressAbb. 1958-007
Wappenentwurf, wie er 1958 zum Patent angemeldet wurde. 

Interessant ist, dass auf dem Deckblatt eines Prospektentwurfes "Wanderführer ..." für das Jahr 1955 folgende Abbildung geplant war:

 

1954 019 Prospektentwurf 182Abb. 1954-019 3)

 
Wie zu sehen ist, wurde das Wappen (durch die Genehmigungsbehörde des Rates des Kreises?) gestrichen. Der Entwurf wurde schließlich durch eine Noten- und Textzeile des Rennsteigliedes und eine angedeutete Landschaft mit Fichte ersetzt.

 

1955 009 Prospekt Wanderfuehrer web 00Abb. 1955-009 

Da die Gemeinde das Wappen nicht haben wollte, ergriff der Drogist Kurt Scheidt die Gelegenheit beim Schopf - er kaufte Treß die Rechte an dem Wappen ab und reichte 1957 einen Patentantrag ein, der 1958 genehmigt wurde.4)

 

1958 008 Seite1 Patenturkunde Seite1Abb. 1958-008 

1958 008 Seite2 Patenturkunde Seite2Abb. 1958-008a 
 
Der Grafik wurde der Status eines Warenzeichens gegeben. Von der Gestaltung her sieht es einem Wappen ähnlich, ist aber weder unter rechtlichem noch unter heraldischen Aspekten ein solches.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Entwurf des Ludwig Treß eine Schwarz-Weiß-Darstellung war. Es gibt keine Aussagen zur Farbgebung. Auch die Warenzeichen-Urkunde trifft dazu keine Festlegungen. Kurt Scheidt ließ fortan alle von ihm verkauften Souvenirs mit einem Signet versehen, welches wie in Abb. 1958-007 - oder ähnlich - aussah. Das Signet (=Warenzeichen) wurde - je nach Material und Untergrund des Souvenirs, auf welchem es aufgebracht wurde und in Abhängigkeit von den technischen Realisierungsmöglichkeiten variiert. Diese Varianten betrafen sowohl die Farb- als auch Formgebung. Es war naheliegend, dass farbige Versionen des Signets sich an der realen Farbgebung der abgebildeten Gegenstände orientierten: Tanne mit grünen Nadeln und braunem Stamm, Arnika mit gelber Blüte und grünem Stengel, Glas in hellem Blau.


Die Keramiken (Vasen, Aschenbecher etc.) mit dem Signet wurden in Großbreitenbach bei der Firma „Franz Fritz Nachfolger“ (FFN) produziert.5)

Nachfolgend gezeigte Ansichtskarte des Kurt Scheidt von 1960 verwendet exakt den von Treß erstellten Wappenentwurf.

1960 017 Ansichtskarte 4BilderAbb. 1960-017 


Als in Gehlberg ein zweites Andenkengeschäft seine Souvenirs auch mit dem Wappen versah, gab es einen Rechtsstreit, den Kurt Scheidt gewann.6)
Weil die Firma Scheidt den Patentschutz auf das Warenzeichen nicht verlängern ließ, erlosch dieser 1968.

 

1968 004 Seite1 Loeschungsbescheid Seite1Abb. 1968-004 

 
Damit war der Weg dafür frei, dass 1992 aus dem "heimlichen" Wappen Gehlbergs ein offizielles werden konnte. Es war also keineswegs so, dass der Heraldiker Frank Diemar 1992 das Wappen komplett neu kreiert hatte. Vielmehr verwendete er die wesentlichen Inhalte des Scheidtschen Signets (Arnikablume, Weinglas, Fichte), abstrahierte diese stärker ins Symbolhafte und reduzierte bzw. harmonisierte die Farben.

Welchen historischen Bezug hat die in dem Wappen verwendete Symbolik?

1. Das Glas
Dieses war schon im ersten Amtssiegel des Ortes, als dieser noch ohne "h" geschrieben wurde, enthalten. Das Weinglas symbolisiert die Glasherstellung und -bearbeitung als den Ursprung für die Ortsgründung. Die Form des Stiels und des Kelches tauchen im Treßschen Entwurf wieder auf. Später wurde das Glas bauchiger.

 

008 Gemeindesiegel farbigAbb. 008 


2. Der Baum
Im Kopfbogen der Gemeinde war in den 1920er- bis 1940er-Jahren mitunter außer einem Skiläufer auch eine Fichte zu sehen. Offenkundig sollte damit der Waldreichtum und Erholungswert des Ortes symbolisiert werden. Dem Aufmerksamen Beobachter wird auch nicht entgangen sein, dass die Fichte auf dem Briefkopf 7 Astringe hat - der Entwurf von Treß ebenso.

 

1940 003 05 24 Ladenoeffnung obenAbb. 1940- 003 



3. Arnikablume
Eine von zwei Namensdeutungen Gehlbergs leitet den Ortsnamen von den gelben Arnikablumen ab. Diese waren früher auf den Bergwiesen um den Ort reichlich vertreten. Im Juli/August waren die Berghänge mit einem gelben Blütenteppich überzogen. Erst durch Ludwig Treß wurde die Arnikablume als Symbol aufgegriffen.
Die Familie Scheidt übergab der Gemeinde Gehlberg einen Wandteller mit einer Prachtausgabe des Wappens, welchen die Keramikmanufaktur „Franz Fritz Nachfolger“ (FFN) aus Großbreitenbach extra für die Fa. Scheidt hergestellt hatte.

 

1958 009 TellerAbb. 1958-014 

 
Das Wappen von 1992 ist das offizielle Gemeindewappen, darf also auch nur von der Gemeinde geführt werden.
Nachfolgend wird eine Übersicht der verschiedenen "Wappen"-Varianten gezeigt:
 
     Entwurf des Ludwig Treß    
     1958 007 Gehlberg Wappen Tress    
     
• (Schwarz-Weiß-Tuschezeichnung)
• naturalistische Darstellung
• kelchförmiges Weinglas mit Schliff
• 7 bzw. 8 Astquirle
• Dreieckschild
   
    von Fa. Scheidt verwendete Varianten     
 2022 006 Wappen ausTeller    2022 007 Wappen alt Kontur    2022 005 Wappen alt Wurzel
 
• Porzellanmalerei
• bauchiges Glas
• 5 Astquirle
• keine Wurzeln
• französischer Wappenschild
  • 1-Farb-Variante
• bauchiges Glas
• 7 Astquirle
• keine Wurzel
• Dreieckschild
• Ortsname
 
• Farbvariante mit weißem Hintergrund
• bauchiges Weinglas
• 7 Astquirle
• Baumwurzeln
• Dreieckschild
 
     2022 003 Wappen alt Name ohneWurzel    2022 004 Wappen alt Name Wurzel
   
• Variante mit Namensschild
• ohne Wurzeln
 
 
• Variante mit Namensschild
• mit Wurzeln
 
    amtliches Gemeindewappen seit 1992     
     1992 001 Wappen Gehlberg    
   
• Halbrundschild
• eingebogen/eingeschweifte Spitze
• 2-farbig mit Konturierung
• symbolische Arnikablüte
• symbolisiertes Weinglas
• symbolisierte Fichte
 
   
 

 
 
2) Zeitzeugenaussage von Wolfgang Scheidt
3) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 182
4) Zeitzeugenaussage von Rolf Fleischhauer
5) Zeitzeugenaussage von Wolfgang Scheidt
6) Zeitzeugenaussage von Wolfgang Scheidt
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