18. Kohlengruben und der "Einsiedler" vom "Blauen Stein" (1806 - 1825)

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik
Die Suche nach Steinkohle hatte in unserem Gebiet bisher eigentlich nie ganz aufgehört. Sogar die sächsische Regierung betrieb am „Blauen Stein⇒(EA012) Weltkugel Foto längere Zeit eine Grube mit recht dürftigem Erfolg. Danach stand das dortige Berghaus leer und wurde lediglich ab und zu von wandernden Leuten und Bettlern bewohnt. Schließlich hauste ein „Einsiedler“ dort. Er hieß Christian Heergesell und war durchaus nicht das, was man sich unter einem Eremiten vorstellt. Vielmehr ist anzunehmen, dass es sich um einen Schneidergesellen handelte, der in einem preußischen Regiment diente, vielleicht sogar noch während der letzten Lebensjahre Friedrichs II. (Heergesell dürfte um 1757 geboren worden sein; der „Alte Fritz“ starb 1786). Vermutlich ist Heergesell beim Rückzug der preußischen Avantgardedivision über den Thüringer Wald 1806 desertiert und hat sich am Blauen Stein verborgen. Irgendwie fand sich auch seine Frau dorthin. Die Familie nährte sich kümmerlich von Wurzeln, Kräutern und gelegentlichen anderen Erwerbnissen. So wurde Heergesell auch „der Hosenschneider“ genannt, weil er den armen Waldbewohnern manchmal für geringes Geld Beinkleider anfertigte. Andere Quellen berichten, dass auch Katzen und Hunde den Leuten am Blauen Stein als Nahrung gedient hätten und dass Heergesell ein „Beutler“ (Bettler) gewesen sei. Seine Frau Anna Maria, geb. Eckehardt (aus Kloster Veßra) starb am 6.3.1808 an der Geburt eines Kindes, das 7 Monate später der „Auszehrung“ erlag. Sie hinterließen 6 Kinder. Ein Teil dieser Nachkommen ist am Leben geblieben und später nach Stützerbach gezogen. Wahrscheinlich ist ein Mädchen davon ziemlich verkommen.

Der Schriftsteller Bodo Kühn, der aus Stützerbach stammt, verwendete diese Dinge in seinem Roman „Arkanum“. Bei ihm heißt der Einsiedler „Heussenier“, lebte aber viel früher und ist französischer Herkunft. Die verkommene Frau, die „Vettel“ genannt, ist in Kühns Buch eine Schwester des Einsiedlers. Herr Kühn verwendete bei seinem Roman Aufzeichnungen seines Großvaters, welche jener nach mündlichen Überlieferungen gemacht hatte. In den Kirchenbüchern aller umliegenden Ortschaften hingegen sind keine Angaben vorhanden, die auf Personen französischer Herkunft schließen lassen, bzw. „Heusner“ oder „Heussenier“ hießen.

Im fortgeschrittenen Alter war Heergesell ein würdiger Greis mit silberweißem Haar und gesundem Menschenverstand. Er konnte ausgezeichnet erzählen, wobei sein Berliner Dialekt auffiel. Seine Zuhörer fesselte er durch allerlei Schnurren und Erlebnisberichte, besonders über seine Abenteuer im siebenjährigen Kriege. Wenn die Angaben des Gehlberger Kirchenbuches über ihn stimmen, kann er zwar den Preußenkönig gekannt, aber nicht mit ihm am Kriege teilgenommen haben. Vermutlich hat er sich die Anekdoten zu Eigen gemacht, die man sich in seinem Regiment erzählt hatte.

Christian Heergesell starb 1825 einsam und verlassen am Blauen Stein. Ein zufällig dort vorüber gehender Förster fand seinen Leichnam. Pfarrer Kohlhardt aus Gera musste ihn widerstrebend beerdigen. Er verlangte dafür von der Gehlberger Gemeinde 1 Taler 12 Groschen, außerdem 12 Groschen für den Bericht an die Behörde und 2 Groschen als Botenlohn!

Das Sterberegister Gehlbergs weist eine Notiz auf, wonach 1870 die wandernde Hökenkrämerin Marie Heergesell im Alter von etwa 70 Jahren hier verstarb. Sie war mit ziemlicher Sicherheit eine Tochter des „Einsiedlers“ – vielleicht sogar die „Vettel“ aus Bodo Kühns Roman.
Die Gruben am Blauen Stein sind dann noch einmal von einem Bergmann aus Goldlauter betrieben worden. Er verließ die „finstere Grube“, als das Berghaus eines Tages abbrannte. Nach unbestätigten Meldungen sollen dabei zwei Kinder umgekommen sein. Eintragungen in den Kirchenbüchern Gehlbergs lassen aber darauf schließen, dass noch 1830, 1840 und 1859 Bergleute am Blauen Stein gearbeitet haben müssen. Allerdings waren alle Bemühungen in jener Gegend ebenso unrentabel wie die Anfang des 19. Jahrhunderts betriebenen Bergwerke an der Gehlberger Wand im Gabelbach und die später im Auftrag des Gothaer Herzogs durchgeführten Bohrungen im Langebach. Reste der Gruben am Blauen Stein sind noch heute zu finden.
Ortsunkundige sollten die Wege dort nicht verlassen, weil das Erdreich über den Hohlräumen manchmal einbricht und sehr leicht Menschen in die Gruben fallen und verschüttet werden können.
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