23. Ein neues Wirtshaus (1860 - 1871)

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik
Florenz Greiner, ehemaliger Hüttenanteilbesitzer, eröffnete um 1860 eine Bierschenke (heute Hauptstraße 17) ⇒(EA014) Weltkugel, 1880 verkaufte er sie an einen gewissen Kamla und wanderte nach Argentinien aus. Die Gastwirtschaft hieß „Anker“. 1884 bis 1906 gehörte sie dem Gastwirt Otto Pranner, der sie umbauen und einen Saal einrichten ließ. 1886 benannte er sie in „Herzog Alfred“ um, weil der Fürst im gleichen Jahr darin gefrühstückt hatte. Vom April 1906 bis zum 1.10.1914 gehörte sie dem Gastwirt Ludewig, dann übernahm sie Otto Dümmich.(Korrekter Name war "Dümmiche"; Anm. R. Schmidt)

Ludwig Theodor Gottfried Hartwig, der Wirt der alten Dorfschenke ⇒(EA011) Weltkugel Foto, war anscheinend in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im August 1860 trat er seinem damals jungverheirateten Sohn Emil Lucian („Wirts-Emil“; 1834 – 1915) zwei Zugochsen, zwei Wagen und alles zum Betrieb einer Geschirrhalterei notwendige Gerät mit der Auflage ab, damit auch eine Schuld an einem Schwarzaer Händler zu übernehmen und zu begleichen.

031 Vertrag Wirts EmilAbb. 031
Vertrag zwischen dem Dorfgastwirt Th. G. Ludwig Hartwig und seinem Sohn Emil, genannt "Wirts-Emil" mit dem Gemeindesiegel 
 
Emil und seine Frau („Wirts-Nelly“; 1835 – 1883) ernährten sich durch das Fuhrunternehmen, zogen in das Haus des Glasmeisters Heinrich Hartwig und betrieben ihr Geschäft schließlich mit 5 Pferden.
Vater Ludwigs Gasthaus betrieb inzwischen Ernst Carl Greiner, ein Bruder Christian Moritz Greiners und des „Frieds-Christel“. 1871 kaufte es Bruder Moritz (1835 – 1921). Er war als junger Mensch nicht sonderlich artig gewesen. Deshalb hatten ihn seine Eltern, der Glasmeister Joh. Friedrich Peter Sebastian Greiner und dessen Frau Dorothea dorthin gewünscht, wo „der Pfeffer wächst“. Der junge Tischler wanderte prompt mit Hermann Fleischhauer nach Brasilien aus und schrieb von Südamerika an seine Eltern, er sei nun da, wo der Pfeffer wächst. Der körperlich sehr klein geratene Mann kehrte ziemlich wohlhabend zurück und übernahm das Gasthaus wohl mehr aus Gründen des persönlichen Prestiges als der Nützlichkeit wegen. Bald verkaufte er es weiter, besaß er doch schon einen kleinen Laden (Hauptstraße 35). ⇒(EA015) Weltkugel Foto

1874 wird ein Moritz Machalett als Wirt der Schenke erwähnt. 1878 erwarb sie Ernst Carl Greiners Witwe Emma, geb. Müller. Drei Jahre später kaufte sie Heinrich Brinkmann. Er wurde zur „Eisenbahnzeit“ sehr bekannt, weil es damals in dem Lokal oft hoch herging. Zu seinem persönlichen Schutz vor den in angetrunkenem Zustand zuweilen recht rabiaten Bahnbauarbeitern musste er sich einen großen Hund halten.

Am 1.1.1893 kauften die aus Amerika zurückgekehrten Brüder Gotthold (1857 – 1915) und Ernst Spindler (1859 – 1938) von der „Franzenhütt“ (das ist der Ort Allzunah bei Frauenwald ⇒(EA040) Weltkugel ) den Gasthof. Der „Hirsch“ blieb nun bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts im Besitz der Familie. (Nach Ernsts Tod betrieb ihn dessen Witwe Else; ab 1944 deren Tochter Gerda, verheiratete Röhrens.) Gotthold Spindlers Nachkommen betrieben einen Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ehemals Bäckerei Julius Hartwig bzw. dessen Witwe Hermine, geb. Schmidt. ⇒(EA016) Weltkugel

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle vermerkt, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ostwärts von Gehlberg wieder einmal Bergwerke betrieben wurden. Eine Grube förderte Schwerspat. Die andere, „Franziskus-Zeche“ genannt, war eine Umbra-Schlämmerei. Ihre Besitzer, Neubert & Co., Blankenburg, beantragten 1869 die Genehmigung zum Bau eines Schlämmgrabens zur Zahmen Gera.

Ebenfalls eingeschoben sei der Deutsch-Französiche Krieg. Drei junge Ortseinwohner mussten daran teilnehmen. Einer von ihnen, Hermann Schmidt, Sohn des Gastwirts Adolf Schmidt aus der Gehlberger Mühle, fiel bei Montmirail.
Im Gegensatz zu früheren Kriegen waren die wirtschaftlichen Folgen 1870/71 verhältnismäßig gering, weil sie Bismarck auf die besiegten Franzosen abzuwälzen verstand. Der Dreißigjährige Krieg hatte seinerzeit das ganze Land verwüstet und furchtbare Opfer unter den Menschen gefordert. Die Kriege des 18. Jahrhunderts hatten die Wirtschaft gelähmt und – verbunden mit den häufigen Missernten des Gebirges – zu Hunger und Elend in den Walddörfern geführt. Die Feldzüge Napoleons und die Befreiungskriege brachten Einquartierungen und Plünderungen. Durch Bitten und Hinweise auf ihre schlechte Lage hatten die Gehlberger allerdings bisher Befreiung von Kriegsdiensten erreichen können. Als erster Einwohner musste der Holzhauer Louis Fleischhauer 1848 an einem Krieg teilnehmen. Er machte die Schlacht von Eckernförde mit und kam heil wieder nach Hause. Die Auswirkungen dieses Krieges wurden leider durch eine Missernte verstärkt.

Noch schlimmer war es während der Kriege der sechziger Jahre. Waren schon 1854 und 1855 durch schlechte Ernten die Nahrungsmittel knapp und unerschwinglich teuer, so kam es 1866 zu katastrophalen Zuständen. Von 7 Ernten waren 5 schlechte.
Weder Holzarbeiter noch Glasbläser fanden durch die Kriege 1864 und 1866 ausreichend Verdienst. Der Ort hatte im Winter 1866/67 allein 1000 Taler (!) Brotschulden. Die Ernten 1871 sowie die Kartoffelernten 1875/78 und 79 waren zwar auch schlecht, wirkten sich aber nicht so verheerend aus wie die der sechziger Jahre.

Übrigens gab es durch den Deutsch-französischen Krieg auch einige Kriegsgefangene in Gehlberg. Sie verstanden sich recht gut mit den Einheimischen. Als frühe Widerlegung der These von der „Erbfeindschaft“ schwangen Gehlberger, Franzosen und sogar einige Turkos gemeinsam „das Tanzbein“ auf der Kirmes.
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