1898 – 2002 Geschichte der Gundelach-Hütte, der Schilling-Hütte und deren „Nachfolgebetriebe“ (Ergänzung 1898-001)

Vorbemerkung

Kernstück dieses Beitrags ist eine von Günther Köllmer verfasste Abhandlung über den „Glasstandort Gehlberg“ in der Festschrift anlässlich 350 Jahre Gehlberg (1995). Mit Genehmigung des Autors wurde daraus ein Auszug - beginnend mit „Ein neuer Anfang“ (S.26) bis „Wandlungen in den letzten 50 Jahren“ (S.43) - entnommen. Durch Reinhard Schmidt wurden weitere Abbildungen hinzugefügt, welche in der Festschrift nicht vorhanden waren.
Damit der Leser diesen Auszug richtig einordnen kann, sei erklärend vorangestellt, dass es die Firmen „Gundelach“ und „Schilling“ bereits vor 1898 gab. Beide Firmen hatten eigene Gebäude für Bläserei (vor der Lampe), Schleiferei oder Schreiberei. Allerdings erfolgte die Verhüttung des Glases in der Dorfglashütte, welche noch weitere Betreiber hatte. 1897 brannte diese Dorfglashütte, welche etwa an der Einmündung Elgersburger Straße/Hauptstraße stand, völlig ab. Mehr zur Vorgeschichte können Sie im Chronikteil 1645-1945, in den Kapitel 22 und 24 lesen.
Der Textabschnitt, welcher die Zeit ab 1989/90 behandelt, wurde in Teamarbeit durch Horst Grimm, Reinhard Schmidt, Martina Schulz und Anita Seeber erstellt.
Fachspezifische Begriffe im nachfolgenden Text haben einen Index und werden im Glossar am Beitragsende erklärt.


 

Ein neuer Anfang

Autor: Günther Köllmer (1995) 


Fa. Emil Gundelach

Sofort nach dem Feuer im November 1897 wurden die Bemühungen, die schon entwickelten Gedanken zum Aufbau einer neuen Hütte in die Tat umzusetzen, verstärkt. Noch nicht einmal 11 Monate brauchte der Aufbau eines modernen Glashüttenbetriebes. Im Einzelnen gab es folgende Etappen:

  - Mittwoch, den 27 April 1898: Grundsteinlegung zum Generator; 
  - Donnerstag, den 2 Juni 1898: Grundsteinlegung zum Schmelzofen; 
  - Freitag, den 2. September 1898: Fertigstellung des Ofens und Temperfeuer20), angebrannt durch Eugen Gundelach; 
  - Sonnabend, den 3. September 1898: Grundsteinlegung für die Kühl­ und Temperöfen; 
  - Donnerstag, den 15. September 1898: Fertigstellung der Kühl- und Temperöfen; 
  - Dienstag, den 29. September 1898: Häfen in den Temperofen gebracht; 
  - Montag, den 3. Oktober 1898: Hafensetzen13), Verglasen, Vollschmelzen; 
  - Mittwoch, den 5. Oktober 1898: erste Schicht im neuen Hüttenbetrieb; 


Abb. 037 Bau der Gundelach-Hütte (1898) 


Abb. 061 Notwendige Erweiterungsbauten der Fa. Gundelach
 

 

Der Ofen besaß 12 Häfen, die Beheizung erfolgte nach dem Siemens­Regenerativsystem mit Generatorgas. Es standen 3 Generatoren zur Verfügung. Zur Weiterverarbeitung bestanden Glasbläserei9), Glasschreiberei12), Glasschleiferei11) und Werkstätten zur Metall- und Holzbearbeitung. Am 8. Juni 1907 wurde der erste Dampfkessel für eine Dampfmaschine vom Bahnhof Gehlberg zum Werk transportiert und am 14. September 1907 in Betrieb genommen.


Abb. 1907-002 

Damit war Gundelach in der Lage, selbst Strom herzustellen. Im Juli 1909 wurde ein zweiter Kessel geliefert und eingebaut. In der Firma bestand außerdem die Möglichkeit zur Herstellung von flüssiger Luft und Sauerstoff. Damit war dieser Betrieb für damalige Zeiten technisch sehr gut ausgerüstet. Eine Tatsache, die sich auch in den Umsätzen der Firma wiederspiegelte. 1]

 1915 001 Fa GundelachAbb. 1915-001
Gundelachs Labor

 
⇒(EA1898-001)Foto Gundelachs Imobilien



Fa. Franz Schilling

Während Gundelach in der Mitte des Ortes, auf einer leichten Anhöhe, einen günstigen Standort für seinen neuen Hüttenbetrieb gewählt hatte, baute Schilling seine Hütte in einer kleinen Senke unterhalb der Kirche. Abgesehen davon, dass die Hauptstraße den Hüttenbetrieb von der Weiterverarbeitung trennte, waren auch die technischen Bedingungen, z. B. die Zugverhältnisse der Esse5) und die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Schilling-Hütte, schlechter als bei Gundelach. Beim Aufbau hatte Gundelach bereits eine Stahlkonstruktion des Hüttendaches gewählt, während Schilling das Hüttendach sehr niedrig baute. Zudem ließ er die Arbeiten noch in Holz ausführen Schilling hatte damals etwa 70 Arbeiter. Neben dem Hüttenbetrieb (der Ofen hatte ebenfalls Regenerativgasfeuerung, aber nur 8 Häfen) bestanden die Fertigungslinien Glasbläserei, Glasschleiferei, Glasschreiberei sowie die erforderlichen Nebenwerkstätten.

Nach dem Tod des Franz Schilling sen. (1916) stellte sich heraus, dass Hans und Franz, die beiden Söhne, nicht so richtig in die Betriebsführung eingreifen konnten. Der Betrieb wurde praktisch vom Ehemann der Wilhelmine Hartwig, geb. Schilling, (Nichte von Franz Schilling sen.), Wendelin Hartwig (1865 -1943) geleitet.

Die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Firmen in so einem kleinen Ort, die verwandtschaftlichen Beziehungen der Arbeiter von Schilling und Gundelach untereinander und das Über-den-Zaun-Sehen der verantwortlichen Meister sowie das annähernd gleiche Produktionssortiment gaben ständig Anlass zu Reibereien Die Geheimnisse der Glaszusammensetzung veranlasste nicht selten die Firmeninhaber, noch kurz vor Beginn der Schmelze, aus der Westentasche einige "Gemenge-Zusätze"7) ohne nähere Erklärung gegenüber dem Schmelzer19) zuzusetzen. In beiden Hütten wurde das Gemenge selbst bereitet. Diese Arbeit erfolgte peinlich genau hinter verschlossenen Türen im Kastenmischer. Die Abwerbung guter Facharbeiter, sowohl Glasmacher, -bläser, -Schleifer oder anderer Berufe, geschah ständig. Oft war 1/2 Pfennig Differenz im Stundenlohn Grund genug, den Betrieb zu wechseln. Nicht selten verursachten Streitigkeiten mit Arbeitskollegen, den Nachbarn oder der Geschäftsleitung den Wechsel. Nicht zuletzt spielten verwandtschaftliche Beziehungen, Heirat oder ähnliches eine Rolle. Die ständigen Konkurrenzkämpfe im Großen wie auch im Kleinen waren nicht immer zum Nachteil für die Firmen. Um die Kunden zufrieden zu stellen, waren Qualität und Termintreue oberstes Gebot, die Weiterentwicklung der Technologie permanent gefragt. Sie machte auch um Gehlberg keinen Bogen. Die Firmen hatten einen hohen Bekanntheitsgrad beim Kundenkreis. Sie beteiligten sich an Messen und Ausstellungen im In- und Ausland. Das Produktionssortiment umfasste technische Gläser und Wirtschaftsglas, das her die Gehlberger Erzeugnispalette angeführt hatte (die gesamten Veredlungsstrecken, wie Kugler und Maler, bestanden nicht mehr).

1910 002 Schilling BelegschaftAbb. 1910-002 Franz Schilling sen. und ein Teil der Belegschaft aus Anlass der Goldenen Hochzeit von Franz Schilling am 12.10.1910

oben: Leopold Heinz („Schorsch“), Eugen Schilling, Franz Schilling sen., Fritz Wiegand;
darunter: Moritz Bachmann, Weis (Frauenwald), Emil Kühn, Albert Hartwig („Beck“), Edmund Greiner („Dokter“), Burghardt Schmidt, Albert Machalett („Schulz“), Hans Albin, Fritz Heim, Edmund Reh
darunter: Franz Hermann, Richard Wagner, Anton Witzmann;
Lehrjungen: Alfred Pfeuffer, Hugo Greiner, Franz Schilling jun., Hans Schilling, Robert Heinz, Hugo Heinz („Klä Schorsch“)


1938 007 Schillingsvilla webAbb. 1929-006
Im Hintergrund die Schillingsvilla. Vor dem damals einstöckigen Haus Auerhahn stehen (v.l.) Elsbeth Hartwig, Else Schmidt, Frida Schmidt, Nelly Hartwig u. Berta Fleischhauer.

1931 005 BornwieseAbb. 1931-005 Blick über die Bornwiese zur Schilling-Hütte (Anfang der 30er Jahre)

1938 003 SchillinghuetteAbb. 1938-003 Schilling-Hütte (1938)

1938 004 Schilling BelegschaftAbb. 1938-004 Belegschaft der Schilling-Hütte am 01.04.1938



Die Produktion der Glaswaren um die Jahrhundertwende und in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts

Autor: Günther Köllmer (1995) 


Es wurde schon erläutert, dass die beiden größten Glasbetriebe ein annähernd gleiches Produktionsprogramm hatten:

  - Hüttenfertige Glasgeräte; 
  - Glasapparate und -geräte für bakteriologische Zwecke und Geräte für biologische Zwecke; 
  - Glasapparate und Geräte für chemischen Gebrauch; 
  - Filtrier- und Messgeräte (auch amtlich geeicht); 
  - Dewargefäße;3) 
  - Glasröhren aus Gundelach-Normalglas (gute Eigenschaften zur Verarbeitung vor der Lampe);
  - Glasröhren aus schwarzem Glas (dunkelviolettes Braunsteinglas); 
  - Schellbachröhren;18) 
  - Röhren aus blauem und gelben Glas, aus Uranglas, aus Didym-Cerglas;4)
  - Platineinschmelzglas rot oder farblos.

Einen besonderen Zweig der Entwicklung bildeten die elektronischen Röhren. Neben der Herstellung von Röntgenröhren (seit 1895) wurden schon vorher Geißlerröhren8), teilweise aus Uranglas, hergestellt. Die Entwicklung der Röntgenröhren (Herstellung bis 1929) insbesondere für:

- Demonstrationszwecke in Schulen,
- Induktoren zur Photographie und Durchleuchtung,
- Induktoren zur Therapie,
- gleichgerichteten Wechselstrom zu r Fotographie und Durchleuchtung
- gleichgerichteten Wechselstrom zur Therapie,
- Spezialröhren, sog. "Einschlagröhren" für kurzzeitige Aufnahmen und
- Doppelröhren zur Erzeugung "stereoskopischer Bilder"

hatte einen hohen Stand erreicht. Außerdem entwickelte Max GundeIach eine Regeneriervorrichtung neben der sog. "Osmo-Regenerierung" und dem "Bauerschen Luftventil", die "Gundelach-Regenerierung" (D. R G. M. Nr. 346585). Die Regenerierung der Röntgenröhren machte sich auf Grund einer während des Gebrauches entstandenen "Selbstevakuierung" erforderlich. Für die hohe Zuverlässigkeit und Qualität der Röntgenröhren erhielt Gundelach 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis einen "Grand Prix".



Abb. 1995-006 


Abb. 1995-007 


Aus einer Firmenschrift des Jahres1937

„1887-1937 50 JAHRE Gundelach
Hochvakuum-Technik

Kathodenstrahlröhren nach Prof. Ferd. Braun und
seit dem Jahre 1905 nach Prof. D. A. Wehnett mit
Oxykathode, Letztere in Alleinlizenz“

entnehmen wir:
"In den letzten Jahrzehnten gingen Tausende von Braun'schen Röhren aus der Fabrikation des Gundelach'schen Werkes für Schulzwecke und Hochspannungslaboratorien in alle Welt... So konnte z. B. bereits im Jahre 1930 bei der Fertigstellung des Großsenders Mühlacker die Aussteuerung mit Gundelach-Röhren gemessen werden. Die ersten Fernsehversuche der Deutschen Post mittels Braun'schen Röhren wurden mit Gundelach-Röhren durchgeführt."

Die Fa. Gundelach gewährte schon sehr früh für jede "Original-Gundelach-Kathodenstrahlröhre" für Oszillographie und Fernsehen eine Garantie von sechs Monaten.
Hinter diesen Leistungen stand Max Gundelach mit einem Stamm hervorragender Fachleute auf dem Gebiet der Glasbe- und -verarbeitung "Herr Max" erfuhr anlässlich seines 80. Geburtstages in der Zeitschrift "Glas und Apparate", Heft 9, 1938, durch Ernst Löber aus Ilmenau eine Würdigung seiner Leistungen. 1]


Wandlungen in den letzten 50 Jahren

(bis zur politischen Wende 1989/90; Anm.: R. Schmidt)

Autor: Günther Köllmer (1995) 


Vorhandener Schriftverkehr aus dem Jahre 1936 belegt die Bemühungen von Max Gundelach, die ohnehin schon engen Beziehungen zum JENAer GLASWERK SCHOTT& GENOSSEN zu festigen. Die Gundelach­Hütte wurde dem Jenaer Unternehmen zum Kauf angeboten. Ein guter Geschäftsgang gegen Ende des Jahres 1936 veranlasste jedoch Gundelach zum Rücktritt von seinen Absichten. Anders verhielt es Sich mit der zweiten Glasfabrik.

Bei Schilling gingen die Geschäfte schlecht. Der technische Zustand des Unternehmens entsprach nicht mehr dem neuesten Stand der Technik. Ein Gutachten von Albert Heinz aus Jena vom 11.12.1936 enthielt neben der Feststellung der angetroffenen Tatsachen gleichzeitig Vorschläge, die zur Verbesserung der Geschäftstätigkeit hätten führen können. Die Gebrüder Hans und Franz Schilling waren mit dem Verkauf Ihrer Hütte und der Bildung einer GmbH einverstanden. Mit Wirkung vom 01. 01.1937 ging die Schilling-Glashütte in den Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung über. Das Stammkapital betrug 100000 Reichsmark, davon entfielen auf das JENAer GLASWERK 98000 Reichsmark und je1000 Reichsmark auf Hans und Franz Schilling. Als erster Verantwortlicher vom JENAer GLASWERK wurde Alfred Jacobsen eingesetzt. Er kam zweimal monatlich zu Konsultationen nach Gehlberg. Im Frühjahr 1937 konnte Robert Köhler für die Aufgabe des Betriebsteilleiters gewonnen werden. Aus einer vorübergehenden Tätigkeit wurde für Robert Köhler eine Lebensaufgabe. Die Zugehörigkeit zum JENAer GLASWERK führte sofort zur Verbesserung des technischen Niveaus. So wurde schon 1938 die Hütte vergrößert und eine Stiefel-Wanne aufgebaut. Mit dem nun reichlich vorhandenen Rohglas konnten mehr Rohre mit größerem Durchmesser und dickeren Wandungen hergestellt werden. Der Anbau des dafür erforderlichen Rohrziehganges für die Handrohrzieher geschah gleichzeitig. Zur Einführung maschineller Glasherstellung wurde eine Federkorbpresse von Jena nach Gehlberg gebracht und Lampenschutzgläser gepresst. Mit den technischen Verbesserungen der ersten Jahre ging gleichzeitig eine merkliche Steigerung des Verdienstes der Arbeiter und Angestellten einher. Das Schilling-Apparate-Glas hatte einen festen Platz in der Palette der Laborgläser sowohl in Deutschland als auch beim ausländischen Kundenkreis.
In Zusammenarbeit mit dem Jenaer Werk entwickelte Robert Köhler das Firmenzeichen für die „Franz Schilling GmbH, Gehlberg" (F S G). Unter diesem Firmenzeichen wurden nun auch die ab 1940 ,,Maschinengezogenen Rohren" besonders in den südosteuropäischen Raum exportiert.

Obwohl die Jahre des fürchterlichen 2. Weltkrieges zunächst ohne nennenswerte Zerstörungen am Betrieb vergingen, war doch die gute und positive Entwicklung der ersten Jahre nach Zugehörigkeit zum JENAer GLASWERK gestoppt. Da keine kriegswichtigen Produkte hergestellt wurden, erfolgte die Dienstverpflichtung bzw. Fronteinsatz für eine Vielzahl von Facharbeitern. Erst in den letzten Tagen des Krieges, Anfang April 1945, lag Gehlberg im Geschützfeuer amerikanischer Artillerie. Neben einigen Wohnhäusern im Ort erhielten auch die beiden Glasbetriebe starken Schaden. Besonders betroffen war die Schilling-Hütte". Mit der totalen Zerstörung des Fabrikgebäudes und der Villa mit den Räumen der Verwaltung des Betriebsteiles.


Abb. 1945-014
Blick von der Hauptstraße über den Trümmerkegel Richtung Kirche
 

Abb. 1945-015
Blick von der Einmündung Schmückerstraße/Hauptstraße auf die Trümmer der Villa und einen Mauerrest der Fabrik
 

Abb. 1945-016
Blick von der Hauptstraße 50
 

Nach Ende des Krieges fehlte es an allem. Im Besonderen galt es, die Hütte wieder in Gang zu bekommen. Dazu war in erster Line Kohlen nötig. In Gehlberg befanden sich außer der Glasindustrie keine anderen nennenswerten Wirtschaftszweige. Deshalb galt es, die Facharbeiter im Ort zu halten. Gemeinsam mit Mitarbeitern des Jenaer Werkes wurde Robert Köhler bei der damaligen Kommandantur der Roten Armee in Weimar vorstellig, um über die Lieferung von Braunkohlen zu verhandeln. Im Betrieb erfolgten unterdessen Aufräumungsarbeiten. Langsam rollten auch die ersten Kohlen, erst spärlich, später ausreichend, an. Schon im Herbst 1945 konnte eine Baracke von Jena nach Gehlberg gebracht und sofort aufgebaut werden.


1946 006 VerwaltungsbarackeAbb. 1946-006
Diese Baracke stand neben dem Haus Hauptstraße 49. 

Diese Behelfsunterkunft für die Justiererei und Packerei brannte nach kaum einem Jahr am 16.08.1946 ab (Brandschaden 66000 RM). Betriebsleitung und die örtlichen Organe setzten gemeinsam durch, dass die lnstrumentenfertigung sowie die Verwaltung des Betriebsteiles vorübergehend im früheren Eichamt (Mühlweg 10) Unterkunft fanden. In Zusammenarbeit mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Carl Zeiss Jena und der Ingenieurorganisation „Kammer der Technik“ wurde in den Folgejahren durch den Gehlberger Werkteil viel unternommen, um Glasrohre als Isolierrohre zur Unter-Putz-Verlegung elektrischer Leitungen patentreif zu machen. 1946 betrug die Beschäftigtenzahl 107.
Im Jahr 1948 erfolgte die Gründung des Werkchores. Ein Männerchor, der über 30 Jahre unter der Leitung von Gerhard Kühn, Einheimische wie Gäste aus nah und fern mit seinem Gesang erfreute.


1951 013 ChorAbb. 1951-013
Chor des Glaswerkes (Anfang der 50erJahre)
 

1948 016 Glasrezept SchillingAbb. 1948-016
Gemenge-Rezeptur für Geräteglas Das Gemenge wurde brikettiert aus Jena angeliefert
 


Die zweite Glasfabrik in Gehlberg (Gundelach-Hütte) wurde nach Kriegsende Betriebsteil des „Rennsteigglaswerkes Schmiedefeld“. U.a. von Ausplünderung betroffen, sank die Rentabilität der Firma trotz Messzylinder Fertigung für russische Kundschaft. Am 01.06.1948 erfolgte die rechtskräftige entschädigungslose Enteignung der Fa. Hohlglashütte Gundelach und weiterer bereits beschlagnahmter Vermögenswerte auf Grund des Befehls Nr. 124 vom 30.10.1945. Der Betrieb wurde unter dem Namen „Bergglashütte Gehlberg“ in die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Westglas21) eingegliedert.


1945 005 Enteignung
Abb. 1945-005 


Verzeichnis der glasverarbeitenden Kleingewerbetreibenden und Kleinbetriebe in Gehlberg (1930-1950):

 Name, Vorname  Betriebsstätte  Produktionsprogramm
 Amberg, Erwin  Bergstraße 18  Bläserei, Frauenmilchpumpen
 Dornheim, Günter  Geratalstraße 16  Hartgummispritzen
 Eichhorn, Adolf  Hauptstraße 10  Volumenmessgeräte aus Glas
 Eichhorn, Emil  Ritterstraße 20  Volumenmessgeräte aus Glas
 Fleischhauer, Arno und Eduard  Arlesberger Straße 21  Aräometer 1)
 Fleischhauer, Florentin  Arlesberger Straße 6   Glasapparate
Greiner, Gustav    Waldstraße 1  Glasgeräte
Greiner, Otto  Arlesberger Straße 13  Schleiferei
Hartwig, Adolf  Arlesberger Straße 5  Ganzglasspritzen, Glasapparate
Hartwig, Hermann  Geratalstraße 14  Hartgummispritzen
Krauser, Otto  Geratalstraße 20  Volumenmessgeräte aus Glas
Kühn, Leopold  Hauptstraße 19  Volumenmessgeräte aus Glas
Kühn, Rudolf  Hauptstraße 8  Glasapparate, Kleingeräte
Machalett, Albert  Hauptstraße 24  Glasbläserei
Reh, Emil  Hauptstraße 25  Bläserei, Schleiferei
Reh, Karl  Nordstraße 3  Glasapparate und Schleiferei
Schleicher, Theodor  Bergstraße 14  Bläserei, Schleiferei
Spindler, Ernst  Hauptstraße 30  Bläserei, Fadenführer6)
Straube, Albert  Hauptstraße 11  Glasapparate und Messgeräte
Wiegand, Edmund  Schmückerstraße 4  Glasgeräte
Wiegand, Otto  Ritterstraße 18  Glasgeräte
Bergmann, Albert  Geratalstraße 18  Hartgummispritzen
Fleischhauer, Emil  Hauptstraße 7a  Glasapparate, Schleiferei, Messgeräte
Hartwig, Heinrich  Hauptstraße 37  Med. Spritzen
Hartwig, Otto  Ritterstraße 6  Blutmischpipetten, Volumenmessgeräte

 

Im Jahr 1951 fiel schließlich durch die VVB Westglas die Entscheidung, die Bergglashütte dem JENAer GLASWERK, BT Gehlberg, anzuschließen.
Nachdem bereits 1950 auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik der Schilling-Glashütte ein Wohnhaus und ein Garagenbau ihrer Bestimmung übergeben wurden, fand im gleichen Jahr die Grundsteinlegung für ein modernes, der Hütte I angeschlossenes Werksgebäude statt. Vorüber gehend mussten jedoch die Glasbläserei, Glasschleiferei, die Glasschreiberei und die Verwaltung noch einmal aus dem schon erwähnten Eichamt in die ehemalige "Bergglashütte" (jetzt Hütte ll) umgesiedelt werden. Nach 3-jähriger Bauzeit wurde das Werkgebäude fertiggestellt, und die einzelnen Meisterbereiche konnten ihre Fabrikationsräume in Besitz nehmen. Damit trat eine starke Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen ein.
Am 21.05.1953 kam es zur Bildung einer Betriebsfeuerwehr. Sie wurde zunächst von Reinhold Plischke, später von Klaus Reichenbächer, geleitet. Während die Produktion von Glasleitungen für Duschanlagen abklang, begann 1957 die Herstellung von Milchrohrleitungen NW 2516). In dieser Zeit bestand die Notwendigkeit, zwei Rohrzüge an der Glasschmelze laufen zu lassen.

 

1957 009 Umbau Kohleschuppen1 
Abb. 1957-009

1957 010 Umbau Kohleschuppen2
Abb. 1957-010
Der Kohlenschuppen des Betriebsteils 1 wird umgebaut.

 

 
1958 016 Artur Greiner
Abb. 1958-016
Artur Greiner, ...
 
1958 017 Georg Schrickel
Abb. 1958-017
... Georg Schrickel und ...
1958 018 Alfred Lutz
Abb. 1958-018
... Alfred Lutz an der Wälzplatte.
1958 019 Rohrzug Franz Koellmer
Abb. 1958-019
Franz Köllmer beim Rohrblasen
1958 020 Rohrzug Eugen Eschrich

 

 

 

 

 








Abb. 1958-020
Eugen Eschrich mit der Ziehplatte.

 

 
1958 015 Rohrzug Koellmer Seeber Eschrich











 Abb. 1958-015

v. l.: Franz Köllmer, Hans Seeber und Eugen Eschrich beim manuellen Rohrzug

 

 

 

 


Mit der Gründung der Instrumental-Gruppe "Heimatfreunde" (Ende 1959) erfolgte eine Bereicherung des kulturellen Lebens im Glaswerk und der Region.


1971 002 InstrumentalgruppeAbb. 1971-002
Instrumentalgruppe „Heimatfreunde"
Werner Greiner (Akkordeon).Franz Köllmer (Thüringer-Wald-Zither), Gerhard Kühn (Bass, außerdem 30 Jahre Chorleiter des Werkchores), Erwin Amberg (Thüringer-Wald-Zither), Klaus Reichenbächer (Sänger), Kurt Schleicher (Gitarre); v.l.n.r.
Gerhard Eichhorn, Joachim Eichhorn, Albert Kühn, Hans Zimmermann u. a. wirkten in den fast 30Jahren des Bestehens der Gruppe außerdem mit.
 


Der Bau einer Ferngasübernahmestation 1963/64 fiel zeitgleich mit der Fertigstellung des Verwaltungsgebäudes mit Speisesaal, Lager- und Packraumen zusammen (Gebäude Ritterstraße 1).


1964 003 VerwaltungAbb. 1964-003
Bau des Verwaltungsgebäudes
 

1964 004 Verwaltungsgebaeude webAbb. 1964-004
Das fertige Verwaltungsgebäude
 


Neben der steigenden Produktion von Milchrohrleitungen und Zubehör (NW 25) sowie Hohlglaserzeugnissen wurden Strumpfrohrleitungen aus handgezogenem Rohr mit einem a. Ø von 60 und 80 mm hergestellt Im Jahr 1965 ergab sich deshalb die Notwendigkeit zur Einführung der Vierfachschicht am Danner-Rohrzug.
Das Rohrleitungsprogramm konnte 1974 durch Rohre und Zubehör der NW 37 und 40 ergänzt werden.

Ab 1965 wurden im Glaswerk sieben Meister ausgebildet. Diesem Lehrgang folgten Teilqualifizierungen, arbeitsplatzspezifische-und Facharbeiterlehrgänge für Erwachsene. Die Lehrlinge des Betriebsteiles erhie1ten ihre Ausbildung anfänglich in Gräfenroda, dann in Ilmenau und später in Jena.
Die Erteilung der staatlichen Erlaubnis zum Eichen und Beglaubigen von Volumenmessgeräten aus Glas erfolgte 1967.
Mitten in einer Zeit stabiler Entwicklung geschah in der Nacht vom 07. zum 08.06.1969 eine Brandkatastrophe, die den Fortbestand der angestammten Glasindustrie vorübergehend in Frage stellte. Mit Unterstützung des gesamten Betriebes, der VVB, der territorialen Organe und benachbarter Betriebe (z. B. Haselbach) gelang es in relativ kurzer Zeit, den Hüttenbetrieb wieder anlaufen zu lassen. Die Heizungsumstellung für den Wannenofen in der Hütte I erfolgte auf Ferngas.


1969 003 Huettenbrand1Abb. 1969-003
Hüttenbrand am 07./08.06.1969 

1969 004 Huettenbrand2Abb. 1969-004
Hüttenbrand am 07./08.06.1969 
 

1969 005 Huettenbrand3Abb. 1969-005
Hüttenbrand am 07./08.06.1969
 
1964 002 WerkeingangAbb. 1964-002 VEB
JENAer GLASWERK, Betriebsteil Gehlberg Verwaltungsgebäude Ritterstraße 1 mit Hütte I
 


1974 001 HuetteAbb. 1974-001
VEB JENAer GLASWERK, Betriebsteil Gehlberg, Glasmacher am Hafenofen in der Hütte II

 

1974 002 Neue EsseAbb. 1974-002
Bau der 60-Meter-Esse

 Im Jahr 1974 begann die Produktion von Ofensichtscheiben aus Rasotherm-Glas17) an einem zweiten Wannenofen in der Hütte I.
Nach Umschmelzen wurden an der gleichen Wanne Glaspellets10) aus C-Glas2) als Halbzeug zur Verarbeitung zu Glasgewebe (in den Werken Glaswerk Schuller in Wertheim, Glasfabrik Regensburg und Glastapetenwerk Brattendorf im Thüringer Wald) hergestellt.


1976 002 PelletsAbb. 1976-002 Glaspellets 


1976 erfolgte die Fertigung von LUVO­ Röhren15) für die Fa. Wiessner in Bayreuth. Diese Rohre dienten dem Einsatz von Wärmerückgewinnungsanlagen.

 

1981 008 10 29 Wasserturm Abb. 1981-008
Der Tank wird auf den Wassetturm im Betriebsteil 1 gesetzt.

Mit der Produktion von 16III-Glas22) für die Thermometerfertigung übernahm Gehlberg die alleinige Versorgung dieses Industriezweiges in der damaligen DDR. Die schon 1979 begonnene Herstellung von sogenanntem Wirtschaftsglas wurde in den Jahren 1983 bis 1991 aus betriebswirtschaftlichen Gründen durch Kugler zu etwa 30 % d es Aufkommens veredelt.


1990 003 GlaswerknW2Abb. 1990-003
Auszug aus dem noch für JENAer Glas hergestellten Zierglas-Sortiment
 


Die Einstellung der Glas-Pelletsfertigung erfolgte 1983. Mit dem Aufbau einer Wanne und allen notwendigen Einrichtungen für die Produktion von optischem Brillenglas ging es weiter. Mitte des Jahres 1985 wurde das erste Glas mit der Bezeichnung ,,K 13"14) geschmolzen. Zum Einsatz kam eine im Betrieb selbst entwickelte Gieß-Press-Technik mit Wendeeinrichtung.


1985 001 Giess Press MaschineAbb. 1985-001
Gieß-Press-Vorrichtung
 

1986 004 LinsenAbb. 1986-004
Brillenglasrohlinge
 


Dieser Produktionszweig des JENAer GLASWERKES sollte für Gehlberg "die Zukunft" bedeuten. Die ersten Kunden waren die Länder Ungarn, Rumänien, Indien und Korea. Menge und Qualität der Erzeugnisse stiegen mit den Erfahrungen der Mitarbeiter. Allerdings wurde auch die Konkurrenz auf diese Entwicklung im Thüringer Wald aufmerksam und reagierte entsprechend. Im weiteren Verlauf wirkte die politische Entwicklung in den südosteuropäischen Ländern der wirtschaftlichen Stabilität bei der Produktion von Brillenpresslingen entgegen. Eine gleichartige Entwicklung nahm das Programm der Milchrohrleitungen und der dazugehörigen Kleinteile sowie des Hohlglases, dessen Hauptabnehmer die damalige Sowjetunion war. 1]


2022 018 MPG MilchrohreAbb. 2022-018
Elemente der Milchrohrleitung
 



Die Hütten nach der politischen Wende von 1989/90

Autor: Reinhard Schmidt in Zusammenarbeit mit Horst Grimm, Martina Schulz und Anita Seeber (2022) 


Es war bereits 1980 gewesen, als der VEB Schott & Gen. Jena in einem internationalen Prozess das Recht zur Verwendung des Namens „Schott“ an das Mainzer Unternehmen verloren hatte. Fortan firmierte das ehemalige Jenaer Stammwerk (einschließlich der Nebenwerke) unter „VEB Jenaer Glaswerke“ und war Bestandteil des Carl-Zeiss-Kombinats.
Nach der Wende 1989/90 ging dieses Kombinatskonstrukt in die Brüche. Auf die Interessenkonflikte um die Jenaer Großbetriebe Carl Zeiss und Jenaer Glaswerk soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Jedenfalls interessierte sich Schott-Mainz zwar für sein ehemaliges Werk in Jena, nicht aber für die kleinen Betriebsteile außerhalb Jenas. Dadurch stand das Glaswerk in Gehlberg plötzlich als Treuhandbetrieb in Nachbarschaft einer Anzahl angestammter Glashütten im Thüringer Wald allein da. Mit dem Zusammenbrechen des Absatzmarktes für die Brillenpresslinge und die Milchrohrleitungen wurde deren Produktion ersatzlos eingestellt. Die dafür ursprünglich verwendeten Maschinen gingen nach Jena zurück. Auch ein Teil der manuellen Hüttenproduktion (Drucklöser für Melkanlagen) wurde ebenfalls eingestellt. Glück im Unglück war das hohe Durchschnittsalter der Gehlberger im Glaswerk, so dass etliche in Frührente gingen und „relativ“ wenige arbeitslos wurden bzw. ABM-Maßnahmen annehmen mussten. Zudem soll die Zeiss-Stiftung teils großzügige Abfindungen gezahlt haben. Trotzdem muss festgehalten werden, dass das Ende als Betriebsteil des Jenaer Glaswerks eine Katastrophe für die Beschäftigten und den Ort war. Hinzu kam, dass mit der Wende auch der FDGB-Feriendienst als zweiter großer Arbeitgeber in Gehlberg weggefallen war. Somit verloren weitere Gehlberger ihre Arbeitsstelle oder die Möglichkeit zu einem Nebeneinkommen durch Zimmervermietung.

Es schien ein Glücksfall zu sein, dass sich Ende 1991 die „Docter-Optic Wetzlar GmbH“ für die Gehlberger Glashütten interessierte. Für seine Produktion optischer Linsen suchte man einen Betrieb, welcher die nötigen Halbzeuge (aus der Wanne gezogene Glasstangen) herstellen konnte, um sich vom bisherigen Lieferanten unabhängig zu machen. Noch im Dezember 1991 wurde die „Docter-Glashütte Gehlberg GmbH“ gegründet.
Leider erwies sich die in eigener Regie beabsichtigte Halbzeugproduktion aus Gründen, welche nichts mit den technischen Möglichkeiten in Gehlberg zu tun hatten, als nicht realisierbar. Die dafür ersatzweise neu eingerichtete Fertigung von Wärmeschutzgläsern wurde nach kurzer Zeit in das Saalfelder Werk der Docter-Gruppe verlagert, weil dort das gleiche Produkt effektiver hergestellt werden konnten.

Abb. 1990-002
Filtergläser
 


Im Rahmen der Recherche zu diesem Beitrag war leider keine Information von Docter-Optic bzw. deren Nachfolger zu erhalten. Deshalb wird nicht zu klären sein, welchen Wahrheitsgehalt die damals in Gehlberg kursierenden Gerüchte haben. Diese besagten, dass das Interesse der Docter-Optic an der Gehlberger Glashütte nicht nur durch den symbolischen Kaufpreis von 1 DM, sondern auch durch Fördermittel in Millionenhöhe geweckt bzw. honoriert worden sei. Zu diesen Gerüchten gehörten auch Aussagen, wonach die von Docter-Optic nach Gehlberg geschafften Maschinen keineswegs neu oder modern gewesen seien.
Keine Gerüchte, sondern Realitäten waren

   - die Umrüstung der Gehlberger Hütten von Stadt- auf Erdgas nebst Anschaffung einer Unzahl neuer Brenner etc. im 1. Halbjahr 1992,
   - die Anschaffung eines Schleifautomaten Typ GS4 (belgisches Fabrikat) 1992.


Betriebsleiter in Gehlberg blieb Herr Klaus Güttich, welcher als Mann vom Fach 1978 nach Gehlberg gekommen war und die Hütte seit 1982 geleitet hatte.

Die nunmehr verbleibende Produktpalette von Docter-Optic in Gehlberg sah wie folgt aus:

  - Fortführen der Produktion von LUVO-Glas (Luftvorwärmeröhren)
  - In dem Hafenofen der ehem. Gundelach-Hütte wurde Zier-, Farb- und technisches Glas hergestellt und geblasen. 
    Das Goethe-Barometer (korrekter Ausdruck: Wetterglas) war lange ein beliebtes Produkt, und sicherte viele Arbeitsplätze. Hochwertige Farbglassortimente produzierte man für den „Glasverlag Geißler“, damals ansässig in Mariendorf bei Kassel. 
   
Abb. 1992-002
Ein Teil dieser für den Geißler-Verlag hergestellten Glaswaren wurden in Gehlberg produziert.
 
  - 1994 Mit Stelllegung der Wanne 6 des Ilmenauer Glaswerks wurden Teile dieses Sortiments auch in Gehlberg gefertigt.


Die Zahl der Beschäftigten in der Gehlberger Glashütte war von ca.136 im Jahr 1991 auf ca. 30 im Jahr 1995 gesunken - und diese 30 waren keineswegs alle Gehlberger.
Im Oktober 1995 meldete die DOCTER-Optic Konkurs an. 2]

Der bisherige Betriebsleiter K. Güttich versuchte, die Fertigung (Zierglas und techn. Glas) in eigener Regie unter der Firmenbezeichnung „Glaswerk Gehlberg Güttich-GmbH“ weiter zu führen. Doch nach etwa einem Jahr musste auch er am 31.12.1996 aufgeben. Hauptursache dafür war die schlechte Energiebilanz des Hafenofens.


Abb. 1995-009
Auszug aus dem Zierglas-Sortiment, welches durch die Güttich-Hütte produziert wurde
 


Für die Hütte wurde ein Insolvenzverwalter eingesetzt. In dieser Zeit von etwa 1996 bis 1999 wurde mit wenig Personal (Erhard Köhler, Christina Köllmer, Burkhard Koob) Auftragsarbeiten (z. B. LUVO-Röhren) erledigt. Es gab auch eine Kooperation mit der „Glastechnischen Werkstatt Horst Grimm“.
1998 bis 2002 versuchte Horst Grimm mit einem kleinen Ofen und 4 Mitarbeitern ein Sortiment aus Zierglas, technischem Glas und Teilen für Restaurierungen (z.B. Kronleuchterteile) aufzubauen. Dazu nutzte er Räumlichkeiten im Erdgeschoss des 1953 entstandenen Gebäudes in der Ritterstraße. Auch dieses Vorhaben war ökonomisch nicht erfolgreich.

Damit war die Glasverhüttung in Gehlberg nach 357 Jahren zu Ende.

Als 1991 die Docter-Optic GmbH die Gehlberger Glashütten übernommen hatte, nutzte sie keineswegs alle Gebäude. Im Areal der ehemaligen Gundelachschen Hütte waren für sie lediglich die Produktionsgebäude interessant. Im Rahmen von ABM wurden einige Gebäude abgerissen. Die LEG (Landesentwicklungsgesellschaft) begleitete die Nutzungsänderung der ehemaligen Gundelachschen Hütte (Betriebsteil 2) ab 1995. Diese hatte den Status eines Flächendenkmals erhalten. Innerhalb dessen sind das Hüttengebäude, das Kesselhaus und das Wohnhaus Einzeldenkmale. Ein Teil der Gebäude wurde abgerissen (z.B. Generatorgasstation, Gebäude „Edelmannsgrund“). Einige Lagergebäude blieben un- oder teilsaniert stehen. Wege und Straßen wurden instand gesetzt oder völlig neu angelegt. Das Hüttengebäude erhielt eine Teilsanierung. Vom Hafenofen blieb nur der Keller mit dem „Unterofen“ erhalten.
Das machte es aber nicht leichter, einen Nachnutzer für das Objekt zu finden. Die Arnstädter Bleikristall-Firma, welche zunächst Interesse bekundet hatte, sprang wieder ab. Das Hüttengebäude blieb 8 Jahre ungenutzt.

2010 zog die Firma „Polycare“ als neuer Nutzer ein. Auf dem Standort der ehemaligen Schleiferei/Absprengerei errichtete man einen Flachbau.
Das ehemalige Kontor nebst der alten Turnhalle/Disco wurde zum Mehrfamilien-Wohnhaus umgebaut und durch die LEG vermietet.
Das alte Gundelachsche Wohnhaus wurde Museum. Zusammen mit dem Kesselhaus ist es im Besitz des Museumsvereins.
Das ehemalige Laborgebäude übernahmen die Familien Oelsner, Schulz und Zimmermann und bauten es zu einer Pension um. 2017 wurde es an Familie Lubbers aus den Niederlanden verkauft.

Auch auf dem Gelände der alten Schillingshütte (Betriebsteil 1)wurden Gebäude (z.B. Hütte, Generatorhaus nebst Anbauten) abgerissen. Die LEG verkaufte die restlichen Gebäude der ehemaligen Schillingshütte. Das Gelände hinter dem Verwaltungsgebäude und die alte Schreiberei/Bläserei kaufte Herr P. Greiner und betreibt dort einen Schrotthandel.


2020 032 ehem Schott SchillingAbb. 2020-032 


Das ehemalige Verwaltungsgebäude nebst Saal und Lager ging an einen Herrn Baumann.


2022 038 Schott VerwaltungAbb. 2022-038 


1] Festschrift aus Anlass des 350jährigen Bestehens der Gemeinde Gehlberg . 1995 . S. 26-45
2] nd . (1995, 5. Oktober) . DOCTER übernahm sich bei der Einheit

Dieser Beitrag entstand unter Verwendung der Zeitzeugenaussagen von Horst Grimm, Erhard Köhler, Günther Köllmer, Martina Schulz und Anita Seeber.

 
Abb. 2022-019


Glossar

Nr.    Begriff  Erklärung
1 Aräometer  = Alkoholometer, Senkspindel, Dichtespindel 
2  C-Glas  = Glas für die Glasfaserfertigung 
3 Dewargefäß  = Doppelwandiges Kühl- bzw. Warmhaltegefäß (Thermosflasche) 
4  Didym-Cerglas  = Metallmineralhaltiges Schutzglas 
5 Esse  = Schlot, Schornstein 
6  Fadenführer  = Haken, Öse, durch die der Webfaden läuft 
7  Gemenge = Mischung der Ausgangsstoffe für die Glasherstellung 
8 Geißlerröhre = Kathodenröhre zur Demonstration von Gasentladungen
9 Glasbläserei = Vor der Lampe (Gasbrenner) werden aus Glashalbzeugen Endprodukte (mit dem Mund) geblasen
10 Glaspellets = Halbzeug zum Wiederaufschmelzen für die Glasseidenfertigung
11 Glasschleiferei = Randbearbeitung und auch Dekorschliff mittels Schleifscheiben und losem Korn
12 Glasschreiberei = Laborgläser erhalten Skalen und Beschriftungen
13 Hafen/Hafenofen = Tiegel zur Glasschmelze/mehrere Häfen befinden sich in einer Ofenhülle
14 K 13 = Brillenglas
15 LUVO-Röhre = Luft-Vorwärmer-Röhre
16 NW 25 = Nennweite 25 (Rohr mir Innen-Ø 25 mm)
17 Rasotherm-Glas = hitzebeständiges Borosilicat-Glas
18 Schellbachrohr = Rohr mit eingelegten weißen Emaille-Streifen, der durch einen blauen Farbstreifen in 2 Hälften geteilt wird (Handarbeit) und ein exaktes Ablesen des Meniskus (Flüssigkeitswölbung) ermöglicht (z.B. Püretten)
19 Schmelzer = bereitet die Glasschmelze vor und führt sie durch
20 Temperfeuer = Feuer zum Vorwärmen des Ofens und auch der Häfen
21 VVB Westglas = Vereinigung Volkseigener Betriebe ,Verbund von Glasbetrieben mit Zentrale in Ilmenau
22 16 III Glas = spezielles Thermometerglas
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