34. Gehlberg nach dem 1. Weltkrieg (1919)

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik 
Die am 19.01.1919 gewählte Weimarer Nationalversammlung billigte am 22. und 23 Juni die Unterzeichnung des Versailler Vertrages und nahm am 11.08.1919 die neue Verfassung an. Am 30.09. zog sie nach Berlin um, wo sie an Stelle eines neu zu wählenden Reichstages vorläufig weiter tagte. Erster Präsident der Republik wurde Friedrich Ebert.

In Gehlberg kam das Wirtschaftsleben nur nach und nach und auch nicht in vollem Umfang wieder in Gang. Zwar konnte die Firma Schilling die Arbeit wieder aufnehmen, doch nur ein Teil der Erwerbslosen erhielt Beschäftigung. Um die ohne Arbeit bleibenden Männer vor dem Schlimmsten zu bewahren, musste die Gemeindeverwaltung Notstandsarbeiten durchführen lassen, die allerdings nur sehr gering bezahlt werden konnten.
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In der Firma Schilling hatte sich ein Wechsel vollzogen. Franz Schilling, ihr Gründer, war 1916 verstorben. Ein Jahr später folgte ihm sein Sohn Eugen ins Grab. Die überlebenden Söhne Franz (1878 – 1946) und Hans (1880 – 1951) führten nun den Betrieb gemeinsam. Beide waren zwar gute Glasfachleute, eigneten sich aber gar nicht als Unternehmer. Sie waren etwas weltfremd, heirateten nicht und lebten sehr zurückgezogen in ihrer Villa neben der „alten Schule“. Eine Haushälterin kümmerte sich um das leibliche Wohl der Beiden. Deren Menschenscheu war so groß, dass sie sich, um keine Gaststätte besuchen zu müssen, eine Bierleitung im Hause installieren ließen, die von einem Fass im Keller gespeist wurde.
Während Hans Schilling jeden Morgen in die Fabrik ging, um die Zubereitung des Glasgemenges zu überwachen – wobei er peinlich auf die Geheimhaltung seiner Rezepte achtete – schlief sein Bruder Franz nicht selten bis in den hellen Tag hinein. Als Kinder waren beide mit der Wilhelmine Schilling aufgewachsen. Sie war eine Tochter des Stützerbacher Glaskünstlers Hadrian Schilling, eines Bruders des Franz Schilling Senior. Da Hadrian und seine Frau 1870 (beide noch nicht 28 Jahre alt) starben, hatte Franz die 5-jährige Wilhelmine in sein Haus genommen und zusammen mit seinen Söhnen wie ein eigenes Kind aufgezogen. Als nun nach dem Tode Franz Schillings offenbar wurde, dass seine Söhne zu wenig Aktivität für die Führung des Betriebes entwickelten, wurde die Fabrik faktisch durch Wilhelmine Schillings Gatten, Wendelin Hartwig (1865 – 1943), Mühlweg 9, geleitet.

Gegen Ende des 1. Weltkrieges war die schon früher geübte Sitte gelegentlichen Laienspieltheaterspiels verstärkt ausgeübt worden, weil die Spieler auf diese Weise wenigstens ein kleines bisschen Abwechslung und Freude in den traurigen Alltag der Zeit bringen konnten. Da es im Dorfe auch nach dem Kriege keine Zerstreuung gab, fanden sich immer mehr Interessenten an dieser billigen Freizeitbeschäftigung, bis es im Frühjahr 1919 zur Gründung eines regelrechten „Theatervereins“ kam, der viele Jahre bestand. Die musikalische Leitung übernahm Hermann Möller (der „Hüttenschulz“), Regie führte Albert Machalett (der „Bergschulz“).

Die schwierige wirtschaftliche und politische Situation hatte u. a. im Herbst 1919 die Gründung einer Ortsgruppe der „Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD) in Gehlberg zur Folge. Erster Vorsitzender war Max Heinz, nach einem Jahr Julius Holland. Die Partei war stark bis zur Halleschen Spaltung. In Gehlberg entschieden sich damals bei einer Abstimmung 14 Mitglieder für das Verbleiben in der USPD, 15 waren für die KPD.

Am 12.10.1919 ging die Gaststätte des Albert Kühn an dessen Sohn Leopold über. Zu seinem Ärger erhielt auch dieser nicht die Konzession zum Ausschank alkoholischer Getränke.
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