Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik
Johann Friedrich Joel wurde am 6.6.1792 als Sohn des Lieutenants Heinrich Gottfried Joel und dessen Ehefrau Anna Maria, geb. Geydorn, in Gotha geboren. Der Vater war damals Wirt im Gasthaus „Zum Schützen“. Joel lernte als Hutmacher, wurde dann berittener Armeegendarm. Er war ein guter Schütze, findig und schlagfertig. Mit seinem Herrn unternahm er längere Reisen durch Polen, Russland und Ungarn. Nach seiner Rückkehr war er Wirt in verschiedenen Gastwirtschaften, zuletzt in dem Haus „Zur Stadt Gotha“ in Zella-St. Blasii. 1843 übernahm er die einstöckige, bretterbeschlagene Gebirgsschenke auf der Schmücke und wurde daselbst Waldläufer (Kreiser) für 100 Taler jährlich. Gleichzeitig betrieb er Weidewirtschaft.
Friedrich Joel war ein Original, grob und derb, pfiffig und voller Humor, praktisch und voller Unternehmungsgeist, mitleidig bis zur Rührseligkeit und hilfsbereit. Meist trug er ein mit Eichenlaubmuster besticktes Hauskäppchen und rauchte aus seiner langen Pfeife. Er hat die Schmücke zu einer Gastwirtschaft gemacht, die bald im ganzen Lande bekannt wurde. Seine Gäste stammten aus allen Schichten der Bevölkerung, vom Fuhrknecht bis zum Fürsten, ja auch Engländer, Schweden, Franzosen und Amerikaner kamen auf die Schmücke, um die vorzügliche Gaststätte und ihren originellen Wirt kennenzulernen. So ist er auch in einem Buche des nordamerikanischen Reiseschriftstellers Bayard Taylor verewigt worden.
Die Förster der Umgebung veranstalteten in jedem Jahre um Johanni ein Sternscheibenschießen auf der Schmücke. Das war ein regelrechtes Fest mit Tanz und Unterhaltungen verschiedener Art, an dem auch die Familien der Förster und ihrer Bekannten teilnahmen.
Abb. 092 Förster Karl Morba, Luise und Friedr. Joel |
Abb. 093 Schmücke nach ihrer Erweiterung 1851 |
Joel starb am 15.10.1852 und wurde auf dem Friedhofe in Oberhof beigesetzt. 1883 wurden seine Gebeine ausgegraben und an deren Stelle der beim Bau des Brandleitetunnels verunglückte Schachtmeister Franz Felsmann dort begraben. Auf Veranlassung des Oberhofer Lehrers wurde später Joels Grabkreuz mit der ovalen Porzellanplatte wieder aufgesucht, repariert und stand dann lange mit der Pyramide auf dem Grab, welche die Kameraden des Schachtmeisters hatten aufstellen lassen. Sie wurde schließlich in eine Ecke des Friedhofs gebracht.
Joels Freund war der Förster Karl Morba. Er war am 21.12.1803 als Sohn eines Lehrers in Gräfentonna geboren. Er studierte erst einige Semester Theologie, dann Medizin und gehörte der Jenaer Burschenschaft „Arminia“ an, die am 12.6.1815 auf der Tanne gegründet und am 26.11.1819 infolge der Karlsbader Beschlüsse (Überwachung der Universitäten; Verbot nationaler und liberaler Organisationen auf Veranlassung des reaktionären österreichischen Kanzlers Metternich wegen des Attentats auf den russischen Attaché August v. Kotzebue durch den Burschenschaftler K. L. Sand;) aufgelöst worden war.
Wie Fritz Reuter wurde Morba wegen seiner freiheitlichen Gesinnung von der Universität verwiesen und musste sich bis zu seiner Begnadigung bei Freunden verborgen halten. Er wurde dann Förster und kam auf die Schmücke, wo er 25 Jahre lang blieb. Er heiratete (5 Jahre nach Joels Tod) am 23.7.1857 Lina Dressel aus Neuhaus a. R., die 31Jahre jünger war als er. Sein Sohn wanderte mit 18 Jahren nach Amerika aus und ertrank dort beim Baden. Die Tochter Luitgard, verh. Jungheinrich, lebte mit ihrer Tochter später in der Siedlung „Heimeland“ in der Mark. Karl Morba starb am 10.1.1873 in Ohrdruf als herzogl. Forstkommissar. Durch Morba kamen viele Studenten und Angehörige von Berufen mit akademischer Ausbildung auf die Schmücke.
Außerdem befanden sich zu Joels Zeit auf der Schmücke seine Frau Luise, sein langjähriger Hausknecht Johann Wagner, der vorzüglich auf der Thüringer-Wald-Zither spielen konnte und später, der Geschäftsführer Satzinger. Vier Mädchen, darunter besonders bekannt „Jette“ und „Röse“, sorgten für Ordnung und das Wohl der Gäste.
Vom „dicken“ Joel werden zahlreiche Anekdoten erzählt. Viele davon mögen nur erfunden und ihm zugeschrieben worden sein. Deshalb sollen hier nur die Ereignisse kurz beschrieben werden, deren Echtheit gesichert ist.
Der Friedensschluss
Als in einem strengen Winter Bloche zu Tal geschleift werden sollten, fehlte es an Pferden. Deshalb nahm Joel einige Rassepferde aus dem herzogl. Gestüt auf der Schmücke dazu. Förster Morba musste nun im Auftrage der Forstbehörde dem Wirt einen Verweis erteilen. Hierdurch wurde die Freundschaft der beiden getrübt: Sie sprachen eine Weile kein Wort mehr miteinander. Der Junggeselle Morba fand sich zwar – wie üblich – regelmäßig zu den Mahlzeiten im Gasthause ein, doch herrschte eine gedrückte Stimmung. Gerne hätten Joel und Morba sich wieder vertragen, doch wollte keiner das erste Wort sagen. Endlich, am dritten Tage beim Mittagessen, kam dem Joel ein Gedanke. Er nahm den Schöpflöffel und schlug damit mitten in die Suppenschüssel hinein, so dass Morbas Uniform von oben bis unten bespritzt war. Dieser sprang natürlich auf und schrie: „Sauerei!“ Da hielt ihm aber auch schon Joel glücklich lächelnd die Hand hin und sagte: „Nun hast du doch das erste Wort gesprochen, Morba. Nun sind wir wieder die guten alten Freunde!“ Was blieb dem Förster nun übrig, als die Hand zu anzunehmen und Versöhnung mit Joel zu feiern!
Die Pacht
Die Gothaer Behörde hatte einen jungen Juristen zur Schmücke geschickt, um eine Pachterhöhung durchzusetzen. Er horchte nun Joel nach allen Regeln der Kunst über den Geschäftsgang aus und spendierte eine Flasche Wein nach der anderen, um den Joel gesprächig und seinem Anliegen geneigter zu machen. Nach einer Weile rückte er nun damit heraus, dass doch die Schmücke nach Joels eigenen Angaben ein gut gehendes Wirtshaus sei und er deshalb doch auch ohne Schwierigkeiten mehr Pacht zahlen könne. Am besten geschähe dies freiwillig, ehe die Behörde von sich aus einen vielleicht noch höheren Betrag festsetzen könnte. Joel stand auf, ging überlegend hin und her, holte Tinte, Feder und Papier und schrieb: „Joel, der Wirt von der Schmücke, erklärt sich bereit, das Doppelte des bisher gezahlten Pachtzinses von Michaeli dieses Jahres ab zu entrichten.“ Froh über seinen Sieg, spendierte der Jurist noch eine Flasche, zahlte seine beträchtliche Zeche und fuhr schnellstens nach Gotha zurück. Dort wurde er allerdings gründlich ausgelacht. Joel zahlte nämlich gar keine Pacht, konnte sich also ruhig zum Doppelten der bisherigen Pacht verpflichten. Über diesen Witz amüsierte sich sogar der Herzog so, dass er dem Joel auch weiterhin keine Pacht abverlangen ließ. (Allerdings entfiel das Kreisergehalt.)
Ein gescheiter Professor
Gewöhnlich weckte Joel seine Gäste bei gutem Wetter so früh, dass sie den Sonnenaufgang vom Schneekopf aus beobachten konnten. So donnerte er einmal an die Schlafzimmertür eines Professors aus Jena, mit dem er am vorhergehenden Abend tüchtig gezecht hatte und rief: „Herr Professor! Es wird Zeit, die Sonne geht auf!“ Der aber drehte sich auf die andere Seite und brummte: „Die geht auch ohne mich auf!“ Joel, der schlagfertige Antworten liebte, rief erfreut zurück: „Sie sind der gescheiteste Kerl, der bisher auf der Schmücke war!“
Das Schwefelhölzchen
Im Zusammenhang mit dem Bau eines neuen Stalles kam öfter ein junger Forstassistent zur Schmücke. Er war sehr lang und dürr, hatte rötliches Haar und erhielt deshalb von den Einheimischen den Spitznamen „Schwefelhölzchen“. Er machte sich sehr wichtig und schnüffelte überall herum. Als er eines Tages monierte, dass zu dem einfachen Stallbau zu dicke Balken verwendet wurden, erwiderte ihm Joel prompt: „Schwefelhölzchen können wir dazu allerdings nicht gebrauchen!“ Der Assistent bekam einen roten Kopf und zog geschlagen ab. Die Schmücker aber und die Zimmerleute lachten vor Freude über die Abfuhr.
Der Engländer
Eines Tages sah Joel einen Engländer, der sich in gebrochenem Deutsch und mit vielen Gestikulationen beim Personal erkundigte, wo denn der berühmte grobe Joel sei, den er dringend kennenlernen wollte. Joel schmunzelte heimlich, trat herzu, packte den Engländer am Handgelenk und stieß ihm mit den Knien abwechselnd gegen die langen Beine. Natürlich begann der zappelnde Fremde sofort zu schimpfen und drohte, er werde dem Joel mitteilen, wie schlecht man ihn hier behandelte. „Der grobe Joel bin ich!“, gab sich der Wirt nun zu erkennen. Sofort schwand die Empörung des Engländers: „Wie freun mich das, wie freun mich das! Schön Thüringen, wo Joel zu Hause!“ In der Gaststube konnte sich der Fremde dann rasch von den anderen Seiten des dicken Joel überzeugen.
Joels Appetit
Als Joel älter wurde, fühlte er sich nicht immer wohl. So klagte er eines Tages auf die Frage nach seinem Befinden: „Ach, schlecht, schlecht! Ich habe keinen Appetit. Ich kann nichts als Rebhühner essen und nicht mehr, als drei auf einmal!“
Der Hausorden
Der Herzog von Gotha hatte den „Ernestineschen Hausorden“ so oft und für recht geringe Verdienste verliehen, dass dieser nicht mehr als besondere Auszeichnung geachtet wurde. Als nun Joel wieder einmal kränkelte und nicht zu Späßen aufgelegt schien, sollte er unbedingt einen Witz erzählen oder einen Spaß machen. Da antwortete er dem Herzog: „Hoheit, ich scheue mich es zu tun – aus Furcht, Eure Hoheit könnten mir das Kreuz vom Ernstinischen Hausorden verleihen!“
Aus ähnlichem Anlass antwortete er einmal dem Freiherrn v. Minckwitz: „Was ist euer höchster Orden? Das Ernestiner Hauskreuz! Und das habe ich mit meiner Alten schon 30 Jahre!“
Der geizige Student
Als einmal 4 Jenaer Arminen mit Joel zechten, ließ sich einer von ihnen nach wenigen Gläsern Bier aus Geiz nur noch Wasser einschenken. Beim Abrechnen ließ ihn Joel unter dem Gelächter seiner Kommilitonen das Wasser bezahlen. Am andern Morgen machten sich die vier auf den Weg. Mit Gesang marschierten sie in Richtung Mordfleck. Als sie hungrig wurden, setzten sie sich zum Frühstück nieder. Voller Freude und Erstaunen konnten sie feststellen, dass Joel heimlich jedem ein kräftiges Frühstück eingepackt hatte. Der Geizhals fand allerdings nur eine Flasche mit Wasser in seinem Beutel. Er war kuriert und schwor unter dem Gelächter seiner Kameraden, nie wieder Wasser zu trinken, wo es einen anständigen „Stoff“ gäbe.
Der Tauschhandel
Joel besaß ein prächtiges Hirschgeweih, für das der Baron von Bülow aus Suhl großes Interesse zeigte. Eines Tages saßen wieder einmal fröhliche Zecher in Joels Gasthaus, darunter auch der Baron. Wie schon öfter, betrachtete er wohlgefällig das schöne Geweih. Da kam dem Joel ein Gedanke. Mit harmlosem Gesicht fragte er den Baron so nebenbei: „Du hast wohl Interesse daran, Bülow? Wenn du es willst, kannst du es kriegen, allerdings unter einer Bedingung!“ „Und die wäre?“ „Nun, ich habe da etwas von dir in Verwahrung. Du scheinst nicht viel Wert darauf zu legen, sonst hättest du es dir schon längst abgeholt. – Ich behalte das Corpus delicti, und du kriegst das Geweih.“
Baron von Bülow dachte angestrengt nach, was er wohl hier oben gelassen haben könnte. Es fiel ihm aber nicht ein. Deshalb meinte er: „Na, ein Rittergut kann es wohl nicht sein. Tauschen wir also miteinander!“ Joel und Bülow reichten sich die Hand, Landrat Ewald schlug durch, um den Tausch zu besiegeln. Nun war die ganze Gesellschaft gespannt, um welchen unbekannten Gegenstand Joel das Geweih vertauscht hatte. Er verschwand auch sofort, um ihn zu holen. Und was brachte er herbei? Bülows prachtvolle Perkussionsbüchse mit feinster Ziselierung und Goldeinlage! Natürlich lachte alles über diesen gelungenen Streich des Schmücker Wirtes. Auch der Baron stimmte mit ein. Selbstverständlich ließ sich Joel den Spaß etwas kosten, hielt die ganze Gesellschaft frei, damit sie den Tauschhandel ordentlich „begießen“ konnte.
Joel beschleunigt den Erweiterungsbau der Schmücke
Da in Elgersburg und Ilmenau der Badebetrieb eröffnet wurde, die Straßen über das Gebirge instandgesetzt und die Schmücke wegen ihres originellen Wirtes und der guten Bewirtschaftung immer bekannter wurden, kamen immer mehr Wanderer und Gäste vorbei. Es waren aber nur zwei Fremdenbetten im Gasthaus vorhanden. Joels Eingaben um einen Erweiterungsbau blieben aber anscheinend bei irgendwelchen Bürokraten im Gothaer Regierungsapparat stecken: Die Sache kam nicht voran. Eines Tages wurden einige fürstliche Damen aus Gotha als Besuch auf der Schmücke angemeldet. Diese Gelegenheit wollte der Pfiffikus nutzen, um den Erweiterungsbau zu forcieren. Er ließ eine vortreffliche Mahlzeit richten und unterhielt die fürstlichen Damen mit allerhand Schnurren so gut, dass sie gar nicht merkten, wie der Abend hereinbrach. Nun veranlasste er seine Mägde Jette und Röse, sich in die beiden Fremdenbetten zu legen. Als nun auch die Hofdamen zu Bette gehen wollten, bedauerte Joel mit unschuldigster Miene, kein Bett mehr frei zu haben, weil die beiden einzigen Fremdenbetten schon von zwei anderen Damen belegt seien. Dafür wies er ihnen ein duftiges Heulager an! Was blieb ihnen übrig, als in das Heu zu kriechen, wussten sie doch nicht, dass in den Federbetten die beiden Mädchen aalten! Joel hatte aber sein Ziel erreicht. Schon bald nach der Abreise der Hofdamen veranlasste die Regierung den Anbau des Gasthauses mit Speisesaal und Fremdenzimmern! (1851 fertiggestellt).
Der Zuchtbulle
Der Herzog hatte dem Joel für die Viehwirtschaft einen Zuchtbullen aus seiner Coburger Musterfarm versprochen. Nach vielen Monaten war jedoch das Versprechen noch nicht eingelöst. Eines Tages kam nun der Herzog aus Gotha zur Jagd auf die Schmücke. Als Joel den Wagen kommen sah, stellte er sich mit einem Abfallrohr der Dachrinne vor das Haus und hielt es an das Auge wie ein Fernrohr.
Der Herzog wunderte sich, weil der Wirt nicht zum Wagen kam, um seine Referenz zu erweisen, stieg aus und fragte ihn, was er da für seltsame Dinge treibe. „Ich gucke nur“, meinte Joel und setzte sein „Fernrohr“ ab, „ob der Bulle aus Gotha bald kommt!“
Nach 8 Tagen war das versprochene Tier auf der Schmücke.