30. Entwicklung im Geragrund, Betriebe (1880 - 1934)

Unveränderter Wortlaut der von K.-J. Schmidt erstellten Chronik 
Wir erfuhren bereits, dass im Tal der Wilden Gera unterhalb Gehlbergs 5 Mühlen standen, von denen 2 der Eisenbahn weichen mussten. Die Baracken für den Bahnbau standen nur von 1880 bis 1883, weil ein Teil der Arbeiter schon 1882 wieder weiter zog. Es blieben lediglich die festen Gebäude im Langerbach, heute „Kamerun“ genannt, in denen 1890 etwa 35 Personen wohnten. Auch der Steinbruch des Louis Kiesewetter ⇒(EA031) Weltkugel aus Frankenhain gegenüber dem Bahnhof wurde weiter betrieben. In ihm waren viele auswärtige Arbeiter beschäftigt, die täglich mit der Bahn nach Gehlberg kamen.

042 Kamerun
Abb. 042
Relikt des Bahnbaus, das "Kamerun" über dem nördlichen Eingang des Brandleitetunnels
⇒(EA024) Weltkugel Foto

Im Jahre 1895 war der Metalldreher Heinrich Dornheim aus Geschwenda zugezogen und hatte die Hollandsche Schneidemühle an der Eiche gekauft. ⇒(EA032) Weltkugel Er baute sie um und produzierte darin Thermometerhülsen. 1904 tat er sich mit einem gewissen Vogel aus Berlin zusammen und stellte mit diesem in der Ecksteinschen Schneidemühle vor der Schneetiegelmündung, die dem Mühlenwirt Möller gehörte, Bogenlampen her. ⇒(EA033) Weltkugel Das Unternehmen ging aber nach 2 Jahren in Konkurs. Dornheim arbeitete danach im Betrieb des Hugo Hartwig. ⇒(EA034) Weltkugel Hugo (1853 – 1942) war der Sohn des Glasmeisters Heinrich Hartwig. Von 1900 bis 1903 hatte er unterhalb der Einmündung des Schlagtales in den Geragrund eine Schneidemühle und Kistenfabrik errichten lassen.

056 Hartwig KistenfabrikAbb. 056

Die Hartwigsche Schneidemühle und Kistenfabrik (1901 - 1903 erbaut)
⇒(EA035) Weltkugel Foto

Bei dieser Gelegenheit stieß man auf Schwerspat. Die Hoffnung, damit Geld verdienen zu können, führte – ach, wie schon so oft in unserem Gebiet – zu einer Bergwerksgründung. Die „Hartwig-Zeche“ war einer kleiner Stollen, der etwa 5 Meter über der Gera in den Berg hinein führte. Das Unternehmen endete so, wie alle seine Vorgänger in unserer Gegend: vergebliche Bemühungen, zwecklos vergeudetes Geld, Enttäuschung und Stilllegung. Der Stollen verfiel. Das Fabrikgebäude an der Gera baute Hartwig zielstrebig aus. Außer den Glasinstrumenten, die schon sein Vater Heinrich produzieren ließ, nahm er die Produktion von Ganzglas-, Rekord- und Hartgummispritzen auf. Hierzu kamen 1905/06 eine Anzahl auswärtiger Dreher nach Gehlberg. Etliche von ihnen waren aber bald so unzufrieden, dass sie schon 1906 streikten. Einige dieser Arbeiter wanderten nach Gräfenroda ab, andere versuchten, den Heinrich Dornheim zur Gründung einer Hartgummispritzenfabrik in seinem Hause an der Eiche zu veranlassen. Dornheim hatte aber noch von seiner Unternehmung mit dem Vogel aus Berlin genug und lehnte ab. Einer der Streikanführer war Albert Bergmann. Sein Schwiegervater, Fritz Holland, besaß ein Haus im Geragrund. Mit einem kleinen Pferdegeschirr brachte er Gemüse im Ort zum Verkauf.

Bergmann und Holland gründeten nun statt des Dornheim eine Hartgummidreherei, zunächst in einem Raum des Hollandschen Hauses, dann im hierfür hergerichteten Stall.
1909 starb Robert Hänisch, der Sprengmeister des vordem gut florierenden Kiesewetterschen Steinbruches ⇒(EA031) Weltkugel. Sein Haus in der Geratalstraße erwarb nun A. Bergmann, baute eine Werkstatt daneben und verlegte die Hartgummidreherei hinein. Als der Absatz einmal stockte, schied sein Schwiegervater aus dem Unternehmen aus. ⇒(EA036) Weltkugel
Ebenfalls 1909 entstand das Haus des Oskar Schmidt (Hannesse Oskar) im Geratal.

Heinrich Dornheim verließ später die Hartwigsche Fabrik doch noch und machte sich 1919 in der „Eiche“ selbständig. 1927 übernahm sein Sohn Günther die Firma, musste sie aber 1934 wegen schlechten Geschäftsganges aufgeben. ⇒(EA037) Weltkugel

Die Schneidemühle vor der Schneetiegelmündung hieß im Volksmund die „Russenmühle“. Dieser Name weist auf Paul Möller (1876 – 1915) hin, den Sohn des Mühlenwirts, dem die Mühle gehörte. Paul war ein friedfertiger Mensch. Er bastelte gern, spielte brillant Klavier und war recht begabt. Leider führte ein unstetes Leben. Viel in der Welt herum gekommen, hatte er sich auch in Russland aufgehalten und wurde deshalb der „Russe“ genannt. Da er unverheiratet war und ihn sein Vater nicht in seinem Haus haben wollte, richtete er sich in der mehr und mehr verfallenden Mühle am Schneetiegel ein. Mit einem gewissen Ahl produzierte er eiserne Stiefelknechte und soll angeblich auch den aussichtslosen Versuch unternommen haben, das „Perpetuum mobile“ zu erfinden. Die Russenmühle wurde etwa 4 Jahre nach seinem Tode abgerissen.

Eigenartig ist, dass andere Gehlberger mit dem Vornamen „Paul“, die niemals in Russland waren, wegen des Paul Möller der Beinamen „Russe“ erhielten, z. B. Paul Hartwig (aus dem Hause Hauptstraße 14) ⇒(EA041) Weltkugel, der sogenannte „Hartwigs-Russ“ oder Paul Leeser (Hauptstraße 33) ⇒(EA042) Weltkugel, den man „Leesers-Russ“ nannte.

057 RussenmhleAbb. 057
Die "Russenmühle" im Verfall. 
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