Autoren: K.-J. Schmidt bzw. Reinhard Schmidt (1968 bzw. 2021)
Am 13. März floh der Bürger Edwin Ludwig, genannt „Luco“ (der Name seiner Firma war „Ludwig&Co. LUCO“), in die Bundesrepublik. Er hatte früher auf der Post gearbeitet, im Geratal Möbel hergestellt und zuletzt Lohnfuhren mit einem ausgedienten Militärlastwagen „Phänomen“ durch die Fahrer Ewald Adler (Gräfenroda) und Kurt Finzel (Gehlberg) ausführen lassen. Das ist deshalb erwähnenswert, weil die Gemeinde sein Haus (Arlesberger Straße) übernehmen und darin einen Kindergarten einrichten konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kinder in einem Klassenraum in der Schule untergebracht.
![]() Falls Insider dieses Bild betrachten - es stammt aus dem Jahr 1958. Aber der Kindergarten war schon 1953 an dieser Stelle, Arlesberger Straße 6. |
Im März wurden Stall und Holzschuppen der Schmücke wegen Baufälligkeit gesperrt. 20)
Die vormals Hartwigsche Fabrik im Geratal wurde vom Reichsbahn Ausbesserungswerk Halle (RAW) erworben und zu einem Ferienheim umgebaut.
Am 6. April begann der erste Lehrgang in der „Zentralen Bildungsstätte der Deutschen Post“ (ehemals Eichamt; Mühlweg 10).
Nur 2 Monate später wurde seitens des Feriendienstes ein erneuter Versuch unternommen, aus der Postschule ein FDGB-Heim zu machen.1)
Dies resultierte wohl auch aus der Tatsache, dass von den 501 Ferienbetten 133 in Privatquartieren standen und es an Kapazität zur Essenversorgung mangelte.2)
Am 21.05.1953 wurde im Glaswerk eine Betriebsfeuerwehr gegründet.
Von den ca. 1000 Einwohnern waren lediglich 37 nicht berechtigt, Lebensmittelkarten zu erhalten. Dies waren in der Regel Gewerbetreibende oder Selbstversorger.3)
Offensichtlich gab es ein Kartoffelproblem. So wurde im April der Kartoffelbestand der Ferienversorger und Werkküchen abgefragt.
![]() Abb. 1953-010 4) |
Und im Juni ergingen detaillierte Instruktionen für die Kartoffelbestellung.
![]() Abb. 1953-012 5) |
Aus einer Erhebung vom Mai geht der Verbrauch an Broten hervor. Auffallend ist die Relation zwischen Konsum- und Bäckerbroten.
![]() Abb. 1953-011 6) |
Dieses Missverhältnis war auch Gegenstand der Konsum-Versammlung vom 16. Juni. Man beachte bitte den letzten Absatz des Protokollauszugs. 17)
![]() Abb. 1953-017 17) |
Aus einer Beschwerde des Vorjahres hatte man offensichtlich Lehren gezogen und den Urlauberquartieren ein zusätzliches Kontingent an Kohlen zugewiesen.7)
Es gab allerdings neuerliche Beschwerden. Nachfolgend ein Beispiel.
![]() Abb. 1953-013 8) |
Am Bahndamm zwischen dem Bahnhof und dem Weg zum Kamerun wurde ein Kohlebunker für das Glaswerk Schott gebaut. Bisher schippte man die Kohle aus dem Bahnwaggon auf den Lastkraftwagen, der sie dann hinauf in die Fabrik transportierte. Erst wenn er entladen zurückgekehrt war, konnte wieder weiter ausgeladen werden. Kamen mehrere Kohlewaggons zur gleichen Zeit an und war deren Standzeit zu gering, so reichte die Zeit für dieses Verfahren nicht aus. Ein großer Teil der Kohle musste aus dem Eisenbahnwaggon zunächst auf die Ladestraße heruntergeworfen werden, damit die Waggons rechtzeitig leer wurden. Zum Weitertransport mit dem Lkw war sie wieder hinauf in dessen Mulde zu schaufeln. Jetzt war es möglich, die Waggons mit Hilfe eines Elektro- Schrappers direkt in den Bunker zu entleeren. Der (sehr ruhige und zuverlässige) Fahrer des Lkw, Herr Willi Adolph konnte nun ganz alleine die Kohle zum Transport in die Hütte vom Abfülltrichter in die Kippermulde seines Wagens rutschen lassen.
![]() Foto von 1961 ⇒(Ergänzung 1953-001) |
Am 15. Juni wurde Frau Hergert hauptamtliche Gemeindeschwester, nachdem sie diese Tätigkeit bereits seit 1949 ehrenamtlich ausgeübt hatte.9)
In der Ambulanz wurde ein zahnärztlicher Ordinationsraum eingerichtet. Gehlberg bekam auch einen eigenen Zahnarzt, Dr. Scheunemann. Allerdings fuhren weiterhin viele Leute nach Gräfenroda zur Behandlung.
![]() Foto von 1953 (Ansichtskarte) Das Foto zeigt den alten Schneekopfturm. Davor sind mehrere Betonsockel zu sehen. Diese waren das Fundament für die Funkanlagen, welche die Wehrmacht dort 1938/39 errichtet hatte. Diese militärischen Anlagen - aber auch die Turmwärterhütte - hatten die Amerikaner 1945 zerstört. Nach dem Sturm und Borkenkäferbefall von 1946 war das Plateau des Schneekopfes baumlos. 1950 errichteten die Gehlberger eine neue Hütte auf dem Gipfel. Die Karte trägt einen Poststempel von 1953 und wurde von R. Butzer zur Verfügung gestellt. |
![]() Die Schulabgänger 1948 treffen sich 1953 auf dem Schneekopf beim Schneiders Ernst. Dr. Günther Scheidt identifizierte v.l.n.r.: stehend: Joachim Eichhorn, Radtke, Schneiders Ernst, Horst Fleischhauer, Karl-Heinz Greiner, hockend: Günther Wiegand, Günther Scheidt |
|
Die Ereignisse um den durch sowjetische Militäraktionen niedergeschlagenen Volksaufstand am 17. Juni in Berlin bewirkten in Gehlberg kaum Reaktionen. Als Betriebe anderer Städte, darunter auch des Hauptwerkes in Jena, wegen der exorbitanten Erhöhung der Arbeitsnormen streikten, kam es in Gehlberg zu keinen Arbeitsniederlegungen. Obwohl bei dieser Gelegenheit über viele Dinge Unzufriedenheit und zu großen Teilen auch berechtigte Kritik laut wurde, sahen die Arbeiter keinen Anlass zu besonderen Aktionen. Sie beschlossen, weiterzuarbeiten und die vorhandenen Mängel mit Hilfe der Gewerkschaft zu beseitigen. Welcher Art die angesprochenen Mängel waren, konnte bei den Nachforschungen nicht eruiert werden.
Im Sommer 1953 wurde die „Meininger Hütte“ am Planieweg errichtet. Diese war am 17.06.53 in Meiningen durch Lehrlinge des RAW-Meiningen unter Leitung des Lehrausbilders Helbig demontiert und nach Gehlberg gebracht worden. ⇒(EA2021-004)
Der Saal des Hotels „Daheim“ (Ritterstraße 16) wurde modernisiert. Bisher war nur ein Vorführapparat vorhanden gewesen. Wenn eine Filmrolle abgespielt war, musste sie zurückgespult werden, ehe man die nächste einsetzen konnte. Es trat also jedes Mal eine Pause ein, das Licht ging an, die Filmbesucher unterhielten sich, manche suchten schnell die Toilette auf, usw. Nunmehr standen 2 moderne Geräte zur Verfügung, die abwechselnd laufen konnten und ununterbrochene Veranstaltungen ermöglichten. Sie waren in einem feuersicher vom Saal getrennten Anbau an der Südseite des Gebäudes. Hierdurch verschwand der kleine Fußweg von der Ritterstraße hinauf zur Bergstraße. 14)
Die Gemeinde kaufte Haus und Grundstück Ritterstraße 5 für 23 750,- Mark. Das Gebäude wurde für einen Abschnittsbevollmächtigten der Deutschen Volkspolizei benötigt, das umgebende Grundstück sollte im Rahmen des NAW in einen Kurpark für die immer zahlreicher nach Gehlberg kommenden Urlauber umgewandelt werden. Beete wurden angelegt und einige Bänke aufgestellt. [Im Kapitel 1952 stand, dass das Objekt Ritterstraße 5 an die ev. Kirchgemeinde verkauft worden war. Vermutlich hat die Gemeinde nachträglich ihr Vorkaufsrecht durchgesetzt.- Anm. R. Schmidt]
Heinrich Hodes wurde neuer ABV (Abschnittsbevollmächtigter).15)
Die Schulbegehung vom 30. August listete etliche Maßnahmen auf, welche mangels Finanzen ins Jahr 1954 verschoben wurden. So z. B. der dringend notwendige vierte Klassenraum. Aktuell bestanden 5 Klassen, welche wegen des Raummangels jahrgangsübergreifend unterrichtet werden mussten. 19)
Der Arbeitsplan der Gemeinde sah für August und September eine Vielzahl an Maßnahmen vor.
![]() Abb. 1953-014 11) |
![]() Abb. 1953-019 16) |
Kirmes 1953; Er ist wieder da, derrr "Fööhrer"! Die Leibstandarte präsentiert das (Luft-)Gewehr, während derrr Fööhrer (Werner Greiner) zu seinem Wagen schreitet.
![]() Abb. 1953-001 (mehr davon in der Bildergalerie) |
Am 26. Oktober hatte die Gemeinde einen Antrag auf Wiedereröffnung der Tankstelle (Volckhold) gestellt.10)
An 10. Oktober erhielt Erwin Amberg die Genehmigung zur Fabrikation von Frauenmilchpumpen.
![]() Abb. 2022-058 |
![]() Abb. 1953-018 18) |
Im Herbst enteignete man in der DDR Besitzer von Gaststätten und Pensionen in Oberhof, bzw. gestand ihnen ein Pachtgeld zu, welches bei Weitem nicht dem Wert ihrer Immobilien entsprach. Sie durften nicht mehr frei über ihre Objekte verfügen. Auf bereitgestellten Fahrzeugen wurden sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ostthüringen umgesiedelt. Oberhof sollte ein „Kurort der Werktätigen“ werden. Von der Aktion wurde Frau Becker, die Inhaberin der „Gehlberger Mühle“ betroffen. Sie erhielt eine Wohnung in Altenburg. Die „Mühle“ diente schon seit 1952 als FDGB-Ferienheim Sie wurde modernisiert und erhielt den Namen des kommunistischen Antifaschisten „Jonny Scheer“. Die gesamte Aktion wurde in den umliegenden Ortschaften stark kritisiert. In Gehlberg nahm man die Zwangsumsiedlung von Frau Becker ohne besondere Emotionen zur Kenntnis. Bei allem Respekt vor den Opfern des Faschismus bedauerte man aber die Umbenennung die „Gehlberger Mühle“, die eine dreihundertjährige Tradition betraf.
Für den 30.12. wurde eine Rundfunkübertragung aus dem Hotel „Daheim“ vorbereitet. Nachfolgend das Programm:
![]() Abb. 1953-015a |
![]() Abb. 1953-015b |
![]() Abb. 1953-015c 12) |
Das Schaufenster von Seidenstrickers Laden war in der Vorweihnachtszeit unwiderstehlich für Kinder. Inmitten von Spielzeug stand der Weihnachtsmann mit erhobenen linken Zeigefinger. In der rechten Hand drohte er mit einer Rute und nickte zudem mit dem Kopf.
![]() Abb. 1953-016 |
Zum Jahresende gingen zahlreiche Anträge diverser Sportvereine ein, welche im Winter 1953/54 Wintersportveranstaltungen in Gehlberg durchführen wollten und dafür Quartiere brauchten. 13)
1) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71 . 06.06.1953 . Postschule
2) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71 . 07.04.1953 . Urlauber
3) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 107 . 01.05.1953 . Lebensmittelkarten
4) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 107 . 01.04.1953 . Kartoffelbestand
5) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 107 . 09.06.1953 . Kartoffelbestellschein
6) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 107 . 15.05.1953 . Brotverbrauch
7) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 136 . Kohlezuweisung
8) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71 . 22.06.1953 . An Freies Wort
9) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 85 . 22.09.1953 . Gemeindeschwester
10) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71 . 02.11.1953 . Wiedereröffnung Tankstelle
11) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71
12) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 57-71 . 26.11.1953 . Rundfunküber-tragung
13) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 163
14) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 206
15) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 293
16) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 113
17) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 196 . 16.06.1953
18) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 236 . 10.10.1953
19) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 289
20) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt . Bestand Gehlberg . Signatur 293 . 28.03.1953